Liebes Ausseerland – Hommage an eine Region

Sollten Sie – ja, Sie sollten – schon mehrere unserer Vierzeiler-Ausgaben in der Hand gehabt haben, dann werden Sie bei der Themenwahl „Liebes Ausseerland“ aufhorchen. Erstmals nämlich widmet sich unsere Zeitschrift einer Region unseres Steirerlandes und das hat seinen Grund. Wir erscheinen mit diesem Heft im Vorfeld der nächstjährigen Landesausstellung und legen noch nach: Zeitgleich ist das auch die Geburtsstunde des neuen Ausseerland – Liederbuches. Etwa zweieinhalb Jahre der Vorplanung, Liederumfrage und redaktionellen Arbeit finden damit einen krönenden Abschluss. Abschluss? Richtiger gesagt ist es ein Auftakt, denn Liederbücher singen nicht, da bedarf es auch derer, die das Büchl in die Hand und die Lieder wieder in den Mund nehmen. Das neue Liederbuch sollten Sie also schnell bestellen. Und falls Sie noch nie im Ausseerland waren, dann umso dringender, denn es schürt die Sehnsucht nach Land und Leute.

Die Denker und Schreiber…

Dem nahen Weihnachtsfestkreis entsprechend, widmet sich Michael Josef Greger dem Bad Mitterndorfer Nikolospiel. Die heute von Halloween bis Sylvester übliche Reduzierung des Geschehens auf Rummel, Rum und Maskerade, machen die alten Spiele in ihrer Einheit von gesprochenem Wort und Symbolik der Rollen bemerkenswert. Als Volkskundler und Ausseer gebührt es Franz Grieshofer, den Jahrlauf im Ausseerland mitsamt den musikalischen Markierungen einzufangen, während sich Hannes Preßl der Liedersammler annimmt, die lange vor den Ereignissen am Toplitzsee die klingenden Schätze gehoben haben. Lutz Maurer zieht die Linien vom Gestern bis zum Heute, wobei er weit hinter die Kulissen blickt und ihm damit eine liebevolle Entzauberung gelingt, die Alfred Komarek wortgestichelt weiterspinnt.

Den ersten Einblick in die inhaltliche Konzeption der nächsten Landesausstellung „Narren&Visionäre mit einer Prise Salz“ steuert schließlich Bertram Mayer bei. Hermann Rastl aber führt von der Prise zur großen Bedeutung, die das Salz stets gespielt hat und spricht vom Brot des Landes. Für diese Beiträge mitsamt den vielfältigen Statements und Rubriken ist den Autorinnen und Autoren herzlich zu danken. Diese Ausgabe „Liebes Ausseerland…“ ist eine ungewöhnliche Liebeserklärung.

Das Überwort Lebendigkeit

Alles in allem macht es also mehr Sinn, die vielen Seiten eines Ganzen zu beachten. Die Rede von der Lebendigkeit von Volkskultur ist ein wenig zu wenig. Sie ist wie der Blick in einen Blumengarten, ohne von Humusbildung, Keimzeit und den Unbilden des Wetters etwas wissen zu wollen. Von welcher Lebendigkeit reden wir, wenn wir weder das Warten, Hoffen und Reifen noch das Ranken und Wanken und schon gar nicht das Kommen und Gehen sehen möchten?

Kurz und gut: Lebendigkeit ist die schnelle Kurzformel in der Bewertung der geliebten Traditionen, sie ist das Diapositiv aus dem Urlaub. Und der Begriff „Volkskultur“ zieht aus diesem Blickwinkel die berühmte Schublade auf. Unsere Zeitschrift hat sich aber gegen die Schublade entschieden, sie schiebt sich zwischen die festgefahrenen Begriffe. Volksmusik und Brauchtum sind stets nur die köstlicheren Seiten des Alltags, der dadurch mehr Sinn macht und ihn davor bewahrt, zum Alltäglichen zu verkommen.

Dieser Vierzeiler fordert dazu auf unserer eigenen Lebenshaltung und der Entfaltung unserer Fähigkeiten mehr Lebendigkeit abzuverlangen. Auf den Punkt gebracht: Kultur ist es, wenn wir im Zwiespalt zwischen alten und neuen Lebensentwürfen nicht um uns, sondern einfach Trommel schlagen – wie es die Ausseer tun.


Der Vierzeiler, Leitartikel Zum Titelbild und Thema, 24. Jahrgang, Nr. 4/ 2004; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.