Die Wahrhaftigkeit – ein Elixier

Von besonderen Musikanten und Sängern

Im allgemeinen Sprachgebrauch ist das Authentische nicht üblich. Wer sich aber recht intensiv mit der Volksmusik beschäftigt, unterstreicht mit diesem Wort die Übereinstimmung des Menschen mit seiner Musik und die Gültigkeit seiner Quelle.

Vielleicht meint er aber auch, dem Ursprünglichen auf der Spur zu sein, einer Musik nämlich, die einzig und alleine dem Menschsein dient, fernab von jedem bühnenüberhöhten Zweck. Da gäbe es ja alle Facetten des Dienens, etwa dem Gelderwerb, der Rettung des Abendlandes oder einfach der Selbstdarstellung. Die Allgemeinheit aber – und schon gar nicht jene Menschen, die uns authentische Musik überliefern – braucht keinen Ausdruck dafür. Für sie ist es auch kein Widerspruch, unsere Traditionen in allen Farbtönen zu mögen, das Bodenständige und das Abgehobene, das Virtuose ebenso wie das Bemühte. Es wird alles gleichzeitig geliebt…

Die Suche nach der Wahrheit und Wahrhaftigkeit…

…nach dem Ursprung und dem Originalen ist eine unserer Lieblingsbeschäftigungen geworden. Das mag wohl mit unserer Vergänglichkeit zusammen hängen, deren Unumstößlichkeit die Vorausschau verstellt, während der Rückgriff Sicherheit bedeutet und ein unerschöpfliches Wissensfeld bereithält. Aus erster Hand – so heißt unsere Griffleiste, an der wir uns zur Gewissheit entlang sehnen. Dass mit der gelebten Wahrhaftigkeit auch eine Verklärung des Originals verbunden ist, soll uns – in einer Welt der permanenten Maskierung – nicht verwundern. Das bisher gesagte aber kann uns bei der Suche nach Authentizität unserer Sänger und Musikanten durchaus dienlich sein.

Die Musiksprache als zweite Haut

Volksmusik ist das klingende Gestern und zugleich dient sie dem Augenblick des Heute, der Lustbarkeit und Freude. Da spielen Sprache, Mimik und Gestik eine Rolle, wobei die Interpreten allzu gerne in die Rolle ihrer Vorbilder schlüpfen, sie wahrhaftig verkörpern. Dies alles in Liebe und Kenntnis einer traditionsreichen Musiksprache, die so anliegt, als sei sie eine zweite Haut. Wer Musik so besitzt, dem fällt es auch nicht schwer, andere in den Bann zu ziehen, denn das musikantische Vermögen ist deren wichtigste und ausdrucksvollste Sprache, sie beinhaltet ihr ganzes Leben. Sie erzählen in Liedern und Klangfarben und musizieren uns ihr Leben buchstäblich vor. Die schöne Verbindung zwischen ihrem musikalischen und poetischen Ausdruck und den mitunter verworrenen Lebensläufen, zwischen ihrer Frohnatur und mitunter abstrakten beruflichen Gegebenheiten, rücken das vordergründig rein nostalgische Bild zurecht. Die Authentischen sind eben keine Schaustücke, sondern das Produkt der mehr oder weniger verworrenen Zufälle.

Die Rolle der Vergänglichkeit

Ja, wer seine Herkunft und seine Traditionen nicht nur kennt, sondern sie ins sich trägt, hat auch kein Problem damit, sich den Veränderungen der Arbeits- und Freizeitwelt anzupassen. Die Anbiederung an den Zeitgeist ist daher nicht der Weisheit letzter Schluss und der Schlüssel zum alleinigen Glück. Aus der sicheren Position des Eigenen aber, durch die besondere Kenntnis der Bewährung, lässt sich jedes gesellschaftliche Terrain spielend erobern.

Er oder sie ist also authentisch. Ihr oder sie umgibt eine besondere Aura und wir sind fasziniert, weil jemand selber etwas ist, was das Bildungssystem nicht im Programm haben kann. Ja, unsere Musikanten und Sänger sind eine außergewöhnliche Spezis: Ihre Aura wird in Musik übersetzt und damit wird auch deren Lebenswille und Lebensfreude hörbar. Diese Wahrhaftigkeit ist das Elixier nach dem wir – bewusst oder unbewusst – permanent auf der Suche sind. Was ist dabei paradox? Das Authentische hat keine Bleibe, es muss allzeit neu geboren werden, denn seine Unerschöpflichkeit bezieht das Authentische aus der Vergänglichkeit.


Beitrag für die Zeitschrift TRADITION, Gössl-Salzburg, Nr. 64/ 2004; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.