Gute Musikanten erkennen wir an ihrem umfassenden Repertoire, an ihrer Verlässlichkeit und letztlich an dem gewissen Etwas, das mit ihrer Musik transportiert wird.
Das Etwas geht vorerst ins Ohr und gibt eindeutige Signale weiter. Zuallererst werden die Signale in eine Portion Lustbarkeit umgewandelt. Zwei Teile Lustbarkeit und ein Teil Adrenalin ergeben eine explosive Mischung, die einerseits beide Herzkammern auf Partnersuche schickt, andererseits aber die gesamte Arm – und Beinmuskulatur zwanghaft anleitet, in rhythmische und drehende Bewegungen überzugehen, die mit den oben angeführten Signalen in Einklang stehen. Hüte spielen dabei keine Rolle.
Der Weg zur Unverwechselbarkeit
Sagen wir es geradeheraus, auch wenn wir da und dort in Harmonie schwelgen: Musikanten sind schwer unter einen Hut zu bringen. Dabei gibt es weniger musikalische als menschliche Hürden. Jahrzehnte lange Musikantenseilschaften sind eher selten. Der Spaß – so sieht es Gott sei Dank nach außen aus – hört sich auf, wenn die Gruppenchemie nicht stimmt. Das wiederum sollte man nicht in „Musikanten sind so und so schwierige Leute“ umdeuten. Ihre musikalisch-emotionale Hingabe bedarf aber des gruppeninternen Gleichklanges und – sie stehen in Konkurrenz zu ihren Mitbewerbern. Das ist die Erklärung schlechthin und es ist durchaus eine gute, denn Konkurrenzdenken ist auch die Triebfeder der Innovation, zumal entsteht hier auch Unverwechselbarkeit. Das wünschen sich wohl viele Musikgruppen, denn in einer musikalischen Tradition zu stehen, heißt ja noch lange nicht stehen zu bleiben.
Musikalisch und optisch punkten…
Vom Thema abgekommen? Nein, denn auch die Außenhaut des Musikanten – mitsamt seinem Hut – ist ein Teil der ersehnten Unverwechselbarkeit. Freilich, im Bereich des Blasmusikwesens ist die Uniform Zeichen von optischer Harmonie, von Zugehörigkeit und Verschmelzung. Sagen wir es so: Sie ist der beabsichtigten klanglichen Einheit optisch bereits voraus. Uniform – der Begriff kommt vom lateinischen „uniformis“ – bedeutet ja nichts anderes als Einförmigkeit. Was den Hut unserer vielen Musikantengruppen betrifft, handelt es sich auch um eine Uniformierung, wenngleich im Detail auch innerhalb solcher Sing- und Musiziergruppen sehr individuelle Formen der Kopfbedeckung geliebt werden.
Für die ländlichen Tanzmusikanten war noch zur Mitte des vorigen Jahrhunderts, die Gruppenbekleidung eher Ausnahme. Das hatte wohl auch mit dem niederen sozialen Stand des Musikers zu tun. Zwei Gruppen fallen mir sogleich ein, die in der Steiermark den Trend zum Hut sicher beeinflusst haben: Die „Kernbuam“ und die „Mooskirchner Altsteirer“. Beide hatten (Mooskirchner) und haben (Kernbuam) noch vor dem ersten Ton bereits optisch gepunktet. Wenn es also schon den Begriff „Hintergrundmusik“ gibt, dann müsste man in diesem Zusammenhang den Begriff „Vordergrundmusik“ verwenden.
Ich und mein Hut
Überraschend viele Sing- und Musiziergruppen treten also neuerdings behütet auf. Sie geben ihre Hüte also nicht in der Garderobe ab, sondern tragen ihren Kopfschmuck auch während des Auftrittes, auch wenn im Tanzsaal große Hitze herrscht. Ich denke, dass dieses gemeinsame Erscheinungsbild auch ein Stück Bekenntnis zur engeren Heimat beinhaltet, wie dies ja auch in der Namensgebung bemerkbar ist: „Die Garstner Buam“, „Ausseer Bradlmusi“ und „St. Johanner Geigenmusi“. Dies wird in der eigens für diesen Artikel durchgeführten kleinen Umfrage deutlich, wenn auf die Frage „Warum trägst Du gerne Deinen Hut?“ folgende Antworten zu finden sind: Weil der Hut zur Tradition gehört/ Ein steirisches Zeichen/ Passt zu uns Steirern/ Der Hut stammt aus meiner Heimat.
Wie sehr aber dieses Kleidungsstück mit der Zeit einen unverrückbaren Platz im persönlichen Wohlbefinden einnimmt, folgende Wortmeldungen: Er ist ein Stück von mir/ Ich fühle mich besser damit/ Ich bin hübscher damit/ Er ist gar nicht mehr wegzudenken/ Ohne ihn fühle ich mich nackt.
Der Hut und seine Funktion
Er schmückt und er verdeckt, meinen die Befragten. Vor allem die Musikantinnen sagen, dass man sich zu vorgerückter Stunde auch darunter verstecken kann – warum auch immer das so empfunden wird.
Bei Wind und Wetter ein Dach über dem Kopf haben, wird im Zusammenhang mit Musik nicht gemeint sein. Aber immer noch taugt der gute alte Hut zum Absammeln, auch wenn es heute üblich geworden ist, vorher eine fixe Gage zu vereinbaren. Für ein Zubrot ist er aber immer noch gut genug. Nicht selten steckt einem ein begeisterter Tänzer eine Banknote unter das Hutband. Besonders köstlich: Unter Musikern ist es nach wie vor verbreitet, den Hut niemals mit der Öffnung nach unten also auf die Krempe abzulegen. Mit der Öffnung nach oben, so meinen sie, kann das Glück hineinfallen – und sei es in Form von Münzen und Banknoten.
Sind Musikantinnen anders?
Die Mädchen haben die Blasmusikvereine längst erobert, ebenso die vielen kleinen Ensembles, die Tanz- und Stubenmusiken. Noch in den 70er Jahren war der weibliche Anteil eher eine Seltenheit. „Die Steirischen Tanzgeiger“ hatten in den Jahren ihrer intensiven österreichisch-bayrischen Karriere, was das Einbeziehen der Weiblichkeit in das Musikgeschehen betrifft, sicherlich Vorbildwirkung. Immerhin waren in dieser Gruppe die Herren in der Minderheit – es standen 3 Damen zu 2 Herren.
Unsere kleine Umfrage ergab auch bei den Damen eine ebenso starke Begeisterung für den Hut wie bei den Männern. Die Musikantinnen bereichern dieses Bild aber um eine wesentliche Facette, indem sie das Modische am Hut ins Spiel bringen. Sie haben Freude an eigenen und für sie gefertigten Kreationen.
Das Umfrageergebnis
Die Umfrage sollte auch eruieren, mit welchem Begriff – es standen acht Begriffe zur Auswahl – die befragten Musikgruppen das Tragen des Hutes in Beziehung bringen können. Die ersten vier meistgenannten Begriffe waren:
Tradition
Der Hut verstärkt meine Beziehung zur Tradition
Schneidig und flott
Der Hut gibt mir das Gefühl der Verwegenheit
Erotik
Der Hut sendet auch erotische Signale aus
Einigkeit
Unsere Hüte sind Zeichen der Einigkeit in der Gruppe
Aussehen wie die Alten
Mit unseren Hüten möchten wir aussehen wie die Alten
Steirisch und bayrisch
Diese kleine Abhandlung zum Phänomen des Huttragens in den – neuerdings immer mehr verweiblichten – Musikantengruppen, möge bitte als launige Betrachtung aufgefasst werden. Die aus Anlass dieses Beitrages durchgeführte kleine Umfrage diente ausschließlich dem ersten Überblick und hat keinerlei wissenschaftliche Relevanz.
Der Beitrag enthält viele subjektive Anmerkungen, die auf meine persönlichen Erfahrungen zurückgehen. Freilich wäre hier eine fachlich fundierte Untersuchung vonnöten. Soviel ist aber sicher: Der gute alte Hut kam wieder – auch in vielen neuen Kreationen – zu Ehren. Man beachte aber: Dazu bedurfte es keiner Volksmusikpfleger und keiner Trachtenhut-Modeschauen. Nein – Hut ab! – Der neue Trend wurde aus purer Lust und Laune, offensichtlich von vielen Musikantinnen und Musikanten zeitgleich eingeleitet. Daran sollte man zweifellos erkennen: Die Welt ist noch in Ordnung.
Beitrag in der Sänger- und Musikantenzeitung, Nr.47/6 Jahrgang 2004, S. 387ff; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.