Grenzenlos tanzen: Kleine Schritte und große Gedanken

„Måch koane Tanz“, sprach er streng und meinte schlichtweg, man möge ihm keine Schwierigkeiten in den Weg legen.

Der Tanz steht also nicht nur für die rhythmische Zweisamkeit im Banne der Musik, sondern überhaupt für die bewegten Seiten des Lebens – und die sind überall uneben, unbeschildert und mit Hürden bespickt. Ohne diese Hürden wäre das Leben keinen Deut und Tanz wert. Ohne die Faszination, Füße und Hände, Unter- und Oberkörper – und das gleich paarweise – in Einklang zu bringen und die Trittsicherheit in Harmoniefluss auszubauen, wäre es das halbe Lebens- und Tanzvergnügen.

Die EU–ein Jahrhunderttanz

Neue Handelsbeziehungen – über die Grenzen hinweg – aufzunehmen, oder sich zum ersten Mal die Krawatte einrichtend an eine Partnerin heranzupirschen um sie zum Tanz aufzufordern. Das kann beides gleichermaßen Herzklopfen verursachen. Wenn also gerade ein neues Europa geschmiedet und Beziehungen gesponnen werden, dann handelt es sich um einen Jahrhunderttanz, der uns viel Schwung abverlangt und der nicht ohne Fehltritte auskommen wird. Selbst die notorischen Nichttänzer werden sich im Sog wiederfinden. Sicher ist aber: Bei diesem Tanz möchten wir nicht Mauerblümchen, sondern dabei sein.

Das waren die wahren Botschafter

Am 1. Mai mögen alte Handelsformulare ungültig und neue gültig geworden sein, mögen Bestimmungen nunmehr neue Beziehungen ermöglichen. Die kulturellen Beziehungen zu den Nachbarn aber waren schon bislang die ältesten und nachhaltigeren – um dieses Wort auch in den Mund zu nehmen. Nachhaltigkeit ist ja nur eine Umschreibung von Kulturarbeit, denn Kulturen sind stets auf Fruchtfolge angelegt. Schon in den frühen Sechziger Jahren nämlich waren es die Chöre und Tanzgruppen, die Freundschaften in Ungarn und Slowenien gesucht und gefunden haben. Das waren – lange bevor die politischen Wege Erfolg zeitigten – die wahren Botschafter. Dass die Geschichte – mit dem 1. Mai 2004 – auch einmal gute Seiten schreibt, anstatt neue Hindernisse zu errichten, macht das Kraut erst recht fett.

Alte Landeshymne–aktueller denn je…

Kurz bevor man darangeht, die Sav’ und Drav’ aus der ersten Strophe zu entfernen, entsteht im geeinten Europa die äußerst reizvolle Kulturlandschaft Steiermark (Stajerska) wieder. Zwei Staaten, zwei Völker, zwei Sprachen und eine Landschaft. Das klingt nach gemeinsam Tanzen. Beste Gelegenheit diese Gedanken in schrittweise Praxis umzusetzen bietet daher „grenzenlos tanzen“, das Bundesvolkstanzfest in Bad Gleichenberg.

Nur keine schiefe Optik…

Alle vor den Vorhang, die sich darum bemüht haben für unseren Leserkreis viele Facetten des Tanzes und der Grenzenlosigkeit zusammenzutragen und somit den Weg zur Erkenntnis vorgeschrieben haben. Der Dank gilt aber auch allen unseren Mitarbeitern im Volksliedwerk, deren bemerkenswertes Engagement in dieser Ausgabe zum Ausdruck kommt.

Kurz vor unserem 100-Jahr-Jubiläum scheint es so, als ob ganz wesentliche Schritte gelingen würden: Das Steirische Volksliedwerk an der Schwelle vom engagierten Kulturinstitut zum etablierten Unternehmen. Die Konzepte liegen auf dem Tisch: Ob nun als ausgegliedertes Institut oder als „Haus der Regionen“, ob weiterhin in der Herdergasse 3 oder mit neuer Bleibe. Gerade in der nächsten Zeit werden wir alle Register ziehen, um die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Entscheidungsträger werden uns sicher nicht im Regen tanzen lassen – schon wegen der schiefen Optik nicht und vor allem wegen der Qualität unserer Arbeit. Bislang haben wir grenzenloses Vertrauen…


Der Vierzeiler, Leitartikel Zum Titelbild und Thema, 24. Jahrgang, 2/ 2004; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.