Ob Sie nun zu den zahlreichen Beziehern gehören, oder unser Blatt das erste Mal in Händen halten: Willkommen im Vierzeiler! Das gilt für unser breit gefächertes Leserpublikum, für die Freunde der Volksmusik und des brauchtümlichen Lebens ebenso wie für jene Hellhörigen, die unserem unverkrampften Brückenschlag zwischen Hoch- und Volkskultur, der spielerischen Annäherung von scheinbar Gegensätzlichem mit Freude zustimmen.
Die festgefahrenen Begrifflichkeiten sind ja vom wirklichen Leben längst aufgehoben worden. Wer meint da immer noch, dass die Kleinkunst eben eine kleinere Kunst und die eine Kultur vom Volk, die andere für`s Volk sei? In Wahrheit träumt so mancher Kulturpolitiker davon, seine Kunst- und Kulturszene in so breiter Akzeptanz eingebettet – also beim Volk aufgehoben zu wissen – wie dies in der sogenannten Volkskultur erlebbar ist. Um auf die verwirrenden Etiketten zurückzukommen: Die Lebenswirklichkeit ist wahrlich flexibler und bunter als es die Sprache zulässt.
Hand und Kopf und Herz…
So auch beim Handwerk. Als ob es da ganz ohne Köpfchen ginge, ganz ohne Liebe zum Detail und ohne Herz am rechten Fleck. Die alte Trennung in Kopfarbeit und Handarbeit ist wohl längst überwunden, denn gestern wie heute sind vielfältige Kenntnisse gefragt. Es geht uns also nicht um die Verherrlichung schweißtreibender Hammerschläge und um die Trauerarbeit an entschwundenen Fertigkeiten längst verblichener Zünfte. Vielmehr möchten wir auf die hohen Wertevorstellungen und die innovative Weitsicht handwerklicher Gesinnung hinweisen. Es geht um den mit Begabungen ausgestatteten und universell handelnden Menschen. Das beginnt bei der Kenntnis des Werkstoffes und seiner Bearbeitung, setzt sich fort mit der Einschätzung des Angebotes und der Nachfrage, ebenso aber mit dem liebevollen Dienst am Kunden und schließt die Weitergabe der Kenntnisse an die Nachfolger mit ein.
Hobeln und Musizieren
Warum wir nun die Gedanken vom Handwerk auf die Musik lenken, wird durch die zahlreichen Beiträge dieser Ausgabe verständlich. Die Musik – und für uns die Volksmusik – findet hier viele Entsprechungen, denn das Musikantentum handelt von alters her weniger im künstlerischen als im handwerklichen Auftrag und Bewusstsein. Der Vierzeiler führt hin zu Menschen, die Hand anlegen, selber erzeugen und damit überzeugen. Dazu muss man weder die Welt neu erfinden, noch in der alten stehen bleiben. Wo gehobelt wird – sei es beim Tischler oder Musiker – da steckt allemal ein Quantum Innovation und Überraschung drinnen und sei es nur die Erkenntnis, dass wir beim Hobeln von der alten Oberfläche in tiefere Strukturen vordringen. Zumal wird dabei auch erkennbar, wo der Wurm sitzt.
Gestaltungskraft, die brach liegt…
In dieser Ausgabe darf unser Freilichtmuseum nicht fehlen. Es ist nach wie vor eine mit allen Sinnen erlebbare Dokumentation von notwendigem Einfallsreichtum und Funktionsästhetik. Ja, das Österreichische Freilichtmuseum wie auch das Volksliedarchiv finden sich im Grundkonsens wieder: Beide möchten nicht zum Denkmal verkommen, vielmehr aber daran erinnern, dass heute – in einer Welt der vorgefertigten und austauschbaren Allerweltsmodule – so viel Gestaltungskraft des Menschen nicht ins Spiel kommt und einfach brach liegt. Das gilt für die täglichen Gerätschaften ebenso wir für unseren Wohnraum und auch – für die Musik.
Ihnen einen Floh ins Ohr zu setzen, ja, das ist unser Handwerk. Wundern Sie sich daher nicht, wenn unsere Gedankenbilder imstande sind, ein ganzes Bündel Ihrer Sehnsüchte wach zu rufen.
Der Vierzeiler, Leitartikel Zum Titelbild und Thema, 24. Jahrgang, Nr. 1/ 2004; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.