Die Maskerade ist ein Stück vom Fasching…

Da haben Sie uns wieder, mit all den schönen Beiträgen, den Angeboten und den vielen Veranstaltungen aus dem Volksliedwerk des Landes Steiermark.

Unser Haus befindet sich in der Kulturhauptstadt Europas und wir sind mit ein Grund für diese hohe Auszeichnung. Das bilden wir uns zumindest ein, denn was wäre Graz, ohne die vielen Traditionen im Verschnitt zwischen der Stadt und dem hügeligen Umland? Es ist schon erstaunlich, wie bunt wir Steirer uns das Leben machen. Ja, selbst der Spaß hat eine reiche Verwandtschaft, wie dieser Vierzeiler deutlich belegt. Zum Bejammern aber haben wir nichts gefunden, schon gar nichts, was sich durchs Beklagen zum Guten wenden könnte. Diesbezüglich also und aus gutem Grunde eine Nullmeldung.

Ob wir genug Kultur haben?

Sie halten eine äußerst erfolgreiche Kulturzeitschrift in Händen, eine die sich mit den feinen Stimmungen des Lebens auseinandersetzt. Das ist nun schon viele Jahre unsere Spezialdisziplin. Viele Anregungen kommen aber von unseren Leserinnen und Lesern. Eher selten ist es aber die Sorge um das Volkslied und die Volksmusik, es sind mehr die konkreten Lebens- und Überlebensfragen die anstehen. Neuerdings gehört auch die Furcht vor den sogenannten Errungenschaften dazu. Es geht um Kopien des Lebens, in naher Zukunft um die Neuauflage von Übermenschen und – Gott bewahre uns – vielleicht auch um die Produktion schlechter Charaktere. Ja, in dem Zusammenhang fragen wir uns, ob wir genug Kultur haben, um unsere bisherige Praxis der Menschenvermehrung zu verteidigen und ob wir auch Begeisterung dafür aufbringen, welch faszinierende Ordnung dem uns chaotisch erscheinenden globalen Karussell vorangestellt ist.

Mehr Dealer für die Sehnsüchtigen

Bitte, bewerten Sie dies nun – gerade in einer Ausgabe zum Fasching – nicht als deplatziert. In Anbetracht der neuesten Nachrichten aber, von der Verdoppelung des Ichs und eventuell Ihrer – ja ich meine Sie – Vervielfachung, ist der Ruf nach Pflege von Lebenskultur angebracht. Im Schatten der großen Fragen sind uns die kleinen Anliegen und die Wertschätzung unserer Traditionen umso wichtiger. Das Kartenspiel, das Liedersingen, die Bräuche, das Tanzen, der Familiensinn und die Maskerade. Das sind nur einige der Bausteine, die uns stetig und in kleinen Schritten die Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit finden lassen.

Ja, das ist permanente Kultur, die wie ein Teppich aufgerollt bereitliegt, damit es sich überhaupt auszahlt, Musiker, Schauspieler, Maler und Architekten einzufliegen. Sie sind uns herzlich willkommen, aber es bedarf zugleich der eigenen Sinnespflege mit allen Facetten des Nachmachens und frei Erfindens. Im solchermaßen tragfähigen Saft haben Kulturprogramme erst einen sicheren Hafen. Da werden wir alle zu Sehnsüchtigen, die nach dem Horizont streben und ihn nicht mehr ausschließlich als entfernte und gleichzeitig abschließende Linie sehen. Auf die Reihenfolge kommt es also an: Zuallererst heißt es „Kultur haben“, die Welt um uns begreifen, unsere Rolle als Gast auf Zeit würdig zu meistern, unsere Fähigkeiten auszubauen und sei es jene, den Clown zu spielen, um in uns Wirkliches und Erfundenes für ein paar Stunden vereinen zu können.

Sensation: 12.000 geklonte Kasperl!

Dieser Vierzeiler ist weder mit Humor voll noch humorvoll. Sie wissen ja: Die Vervielfachung des Komischen und die Neuauflage des Köstlichen, ebenso das aufgewärmte Lachen – sie sind alles andere als witzig. Nein, der Vierzeiler handelt von unserer Fähigkeit komisch und köstlich zu sein, von der Lust an der Verkleidung und vom Spiel mit uns selbst. Ein lehrreiches Beispiel gibt die beigelegte Kasperlmaske: Sie macht nur Sinn, wenn Sie sich dahinter ein bisschen lustig machen können – und sei es über sich selbst.


Der Vierzeiler, Leitartikel Zum Titelbild und Thema, 23.Jahrgang, 1/ 2003; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.