Zeit zum Zurückhorchen

Steirisches auf Schellacks

Kann sich irgendjemand noch an die guten alten Rucksäcke erinnern – an die Säcke am Rücken, die in gefülltem Zustand eine Hängebauchform angenommen haben?

Zug um Zug haben die Designer und Hersteller aus dem alten Rucksack mit Lederbandlzug ein Rücken-Tragegerät gemacht, mit Stützgestell, variablen Riemen, Klettverschlüssen und Schnappern Das ist Perfektion im Detail, alsob wir alle auf dem Weg zum Himalaja wären. Das nur zur Erklärung, wie schnell ein Ding unseres Lebens Farbe und Form wechselt.

Da gibt es zwei Arten von Kurzlebigkeit

Vom Rucksack zur Schellack, der schwarzen Scheibe, die ein Stück der revolutionären Entwicklung der Tonspeicherung mitgetragen hat: Ihre Kurzlebigkeit hat einerseits mit der rasanten technischen Entwicklung der Tonspeicherung zu tun, die mit der jetzt üblichen CD noch keineswegs als abgeschlossen gilt. Andererseits ist die Kurzlebigkeit der Schellacks immer wieder dann in Form einer Schrecksekunde bewusst geworden, wenn uns das Ding aus den Fingern geglitten ist. An der Tatsache, dass sich die Schellacksammler keineswegs von den Scherben trennen und diese oftmals in der Papierhülle sorgsam aufbewahren, erkennt man, dass die Liebhaber alter Tondokumente eben die wahren Liebhaber sind.

Zurückfahren zu den Vorfahren….

Seiner Volksmusik-Heimstättenfunktion verdankt das Steirische Volksliedarchiv die inzwischen angewachsene Schellacksammlung. Da gibt es viele Mitdenker und – sammler und einer davon ist Heimo Hüttig, dessen regelmäßige Präsenz bei Flohmärkten den Nachundnach – Zuwachs garantiert. Und nun macht das Steirische Volksliedwerk diese besonderen Schätze seinen Freunden zugängig. Die erste Schellackausgabe in der Reihe „Steirische Tonspuren“ macht die Vergangenheit lebendig, mit ihr ebenso eine eigene Welt der Aufnahmetechnik, des Vortragstils und andere Maßstäbe der Musikästhetik. Neuerdings gibt es wieder Verständnis für den Original-Ton. Das ist in einer Zeit der synthetisch gemachten Stimmung, der nachbereiteten Präzision von Tonaufnahmen durchaus verwunderlich, zeugt aber von einem breiten Interesse an Tradition. Ja, da hat die historische Wirklichkeit die heute produzierte und zum Standard erhobene Unwirklichkeit eingeholt. Über den Inhalt der CD „Steirisches auf Schellacks“ möchte ich nicht mehr verlauten, als dass sie eingefangene Lebendigkeit bedeutet, eine geballte Ladung steirischer Klänge. So manche Saubermacher-Volksmusik kann sich eine Scheibe Schellack abschneiden. Ja richtig: Auch der Scheibenjodler ist da zu hören…


Bayerische Sänger- und Musikantenzeitung, München, 45. Jahrgang, Heft 5/2002; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.