Gesetz den Fall, ich habe unbändige Lust zum Musizieren und ich kann weder Geige noch Klarinette spielen, habe kein Klavier bei mir, habe das Saxophon in Reparatur und kann den Deckel der Kirchenorgel nicht öffnen. Es bleibt mir immer noch der Griff in meine Rocktasche, denn da befindet sich meine Mundharmonika.
Musik aus der Rocktasche – so einfach und originell
Dieses kleine Instrument begleitet mich nicht nur überall hin, auf die höchsten Gipfel und in den tiefen Keller. Es begleitet auch meine Gemütsausbrüche, von der Fröhlichkeit bis hin zu den Stunden der Einsamkeit, der Bedrängnis und Sehnsucht. Wer die Mundharmonika erfunden hat, dem sei heute noch gedankt für die Idee, eine Tonmaschine nur dann zum Klingen zu bringen, wenn man ihr seinen eigenen Atem einhaucht.
Sie gehört zum Hosentaschen-Inventar
Freilich, sie ist etwas in Vergessenheit geraten und zum Spielzeug verkommen. Eine Mundharmonika zum Kirtag, das war früher obligat. Der türkische Honig hat sich dann in den Stimmzungen festgelegt und die Klangqualität beeinträchtigt. Aber so ist`s auch mit den Seifenblasen und den Jahrmarktpfeiferl, die sich quietschend zur ganzen Länge auseinanderrollen. Sie sind wie Eintagsfliegen. Die Mundharmonika könnte aber längst zum Hosentascheninventar gehören, friedlich vereint mit dem Feuerzeug, dem Bierschlüssel, dem Taschenfeitel und – der Schnäuzfahne.
Ist das Spiel auf der Mundharmonika leicht zu erlernen?
Mitnichten – zumal auch dazu ein gehöriges Maß an Übung gehört. Lehrwerke sind zwar erhältlich, doch was sind denn theoretische Abhandlungen, wenn schon das Lernen vom Gegenüber Probleme macht? Es ist einigermaßen schwer zu erklären, was sich da mit dem Luftzug und Druck, mit der Zunge auf den Blasöffnungen tut, weil der Könner gerade im Augenblick des Erklärens den Mund verschlossen hat – mit der Mundharmonika.
Der Griff in die Rocktasche – so einfach!
Es lohnt sich aber, ein solches Wunderwerk dabei zu haben – es gibt ja reichlich Übungsgelegenheiten: Im Auto, am Liftbügel, auf der Liegewiese. Eines ist sicher: Auf dem Weg zum Könner muss man mit sich selbst Geduld haben. Schließlich lockt als Belohnung das Gefühl, selbst Musik machen zu können. So manche Sternstunde hat mit dem Griff in die Rocktasche begonnen. Eine Mundharmonika sollte man dabei haben …
Kurzbeitrag für „Der Berg“, Alpenvereinszeitschrift Haus i. Ennstal, 3/1998; Sätze und Gegensätze, Graz, Band 10/ 1999; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.