Rundum musikalische Ereignisse…

Es war keine Schnapsidee – nämlich die herkömmliche Musikpflege zu hinterfragen und einmal einen ganz anderen Weg zu beschreiten. Musik beim Wirt – über ein Jahrzehnt eine unserer Schlagzeilen – war nicht nur Aufforderung nach mehr Klang, sondern auch Bestätigung eines Ist-Zustandes musikalischer Kommunikation. Wir sehen uns einerseits als Motor vieler kleiner Initiativen und unser Archiv als eines mit starkem Informationswert, andererseits aber auch als ein Beobachter des beglückenden selbständigen musikalischen Gestaltens in einer immer wieder faszinierenden Vielfalt.

Zwischen Tradition und Innovation

Wenn die Volksliedwerke eine pflegende Aufgabe haben, dann jene, dieses Klima des Selbständigen zu fördern, erforschen, ermöglichen. Da sind natürlich keine plakativen Ergebnisse zu erwarten. Nicht alle Menschen werden davon wissen und die hier gemeinten Musikanwender sind sich ihrer Bedeutung für die musikalische Überlieferung nicht bewusst. Alles in allem: die Bedeutung dieser noch viel zu wenig erforschten musikalischen Kultur liegt in der Freiheit der Anwendung regionaler und persönlicher Eigenheiten. Es ist der unbefangene Umgang, der im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation ein neues Original ermöglicht. Es ist sogar ein sorgloser Umgang der hier den Menschen zu höchst eigentümlichen Ausdruck befähigt.

Dass ich nun den sorglosen Umgang das Wort rede, mag die Volksmusikbewahrer auf den Plan rufen. Sie könnten mir vorwerfen, dass jenes unvoreingenommene Gutheißen der wahren Volksmusik nicht dienlich sei. Die Pädagogen wiederum werden meinen, dass auch die Volksmusik ihre Leitbilder brauche und schon deshalb eine unserer Aufgaben das Hinweisen auf das Erlesene und das „Auswahltreffen“ sei.

Handwerklichkeit und Musikalität

Nicht oft genug muss darauf hingewiesen werden, dass es für die Kenntnis der Volksmusik eines Landes eine wesentliche Voraussetzung gibt. Es ist der Respekt vor der Synthese des Zusammenwirkens von Handwerklichkeit und Musikalität. So manches Werk passt dabei nicht in das musiktheoretische Schema der Gebildeten, hat aber fundamentale Kraft und funktionale Qualität. Wenn diese Erfahrung einmal gewonnen ist, kommt uns vieles was sich Volksmusik nennt, wie ein Appetithemmer – so ganz ohne Nährwert – vor.

Die fundamentale musikalische Sprache, anstatt leere Hülsen

So gesehen ist es beglückend, in vielen steirischen Gasthöfen musikalisch – gesellige Kommunikation anzutreffen. Und es ist ein Glück, dass aus unserer Initiative keine Klischeeveranstaltung geworden ist. Niemanden, schon gar nicht der guten geduldigen Volksmusik ist genützt, wenn wir Sie herausschälen, präsentieren, hegen und pflegen. Im Nebeneinander ist fundamentale musikalische Sprache von leeren Hülsen sehr leicht zu unterscheiden.


Der Vierzeiler, 12. Jahrgang Nr.3/4, 1992; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.