Das geht so schön auf die Nerven…

Vater-Mutter-Kind am Musikinstrument

Die allererste Musikerziehung – abgesehen vom Singen für das im Mutterleib heranwachsende Leben – findet in der Familie statt. Da dies heute gerne als Illusion abgetan wird, sollten wir beim Thema bleiben und unsere Aufgabe daraus ableiten – die Eltern ebenso wie auch die Lehrerinnen und Lehrer.

Musik in der Familie heißt nicht: Musizierstunde der Eltern in Anwesenheit braver Kleinkinder, die die Hände in den Schoß legen. Musik in der Familie heißt nicht: Einüben von Musik, damit die putzigen Kleinen am Samstag der Erbtante Familie vorspielen können. Und heißt bitte nicht, aus den ersten begeisterten Tönen die Hochbegabung der Kleinen abzuleiten, sich selber die eigenen Versäumnisse im Kind nachzuholen.

Da gäbe es durchaus schönere Ansätze, um Musik in der Familie zu praktizieren, um in den ersten Lebensjahren die Faszination der Kunst aller Künste mit der Windelhose bereits mitzugeben. Beispiel erwünscht? Es kann die gerade erfolgte Trockenlegung verbunden mit dem Singsang der Mutter zum Hunger nach den Tönen werden, zum ersten Konzert, zum Opus 1 des erst begonnenen Lebens. So schön, so wahr?

Leben inmitten von Beschallung

Ich weiß schon: Musik in der Familie erklingt heute auch aus dem automatischen Radiowecker, dem eingebauten Lautsprecher im Badezimmerspiegel, aus der Decke im sogenannten stillen Örtchen, als Morgenjournal beim Frühstück, als Abendkanal beim Abendessen, als abgehacktes Sprachgewirr eines Actionfilmes beim Einschlafen im Nebenraum, als heißer Rhythmus beim Familienausflug im Auto und als Zerstreuung beim Wochenendspaziergang durch den stillen Wald – mittels Hörstöpsel im Ohr.

Man soll den Teufel nicht an die Wand malen, also weg mit dem Verteufeln und Verurteilen. Wir leben inmitten der Beschallung und vielleicht ist gerade diese Über-Belieferung Anlass für das Auftauchen von Sehnsucht nach den feinen, eigenen Tönen? Dafür haben wir allerdings keinen seriösen Nachweis. Es ist eher anzunehmen, dass Herr und Frau Normalverbraucher Musik verbrauchen. Wird den eigenen Kindern dann doch erlaubt ein Instrument zu lernen, fehlt den Eltern oft das Bewusstsein, dass es sich hier um eine Ausbildung für das Leben handelt. Es ist wie beim Sport eine Entscheidung zum Hobby, zur Teilnahme an einer Neigungsgruppe. Könnte man vielleicht Trendmusikart dazu sagen?

Spielerische Vermittlung in der Familie

Frühe Musikerziehung und damit auch die Anleitung zum Instrumentalunterricht: Daraus ergibt sich die Voraussetzung für die Familie, gemeinsam zu musizieren. Das ist kein Spiel, wenngleich die spielerische Vermittlung die besten Chancen birgt. Dieser Musikeinstieg ist eine der Grundlagen für späteres Musikempfinden und damit für ein Leben das befähigt, die besonderen Kräfte von Melodie und Poesie zu empfinden. Das ist Grund genug, trotz der gerade beschriebenen Musikdauerversorgung, noch mehr wie bisher diese Mühe schmackhaft zu machen.

Wo gibt es aber Hürden, dieser Zielsetzung zu folgen? Welche Rolle haben die Eltern, welche übernimmt die Schule?

Zuallererst: Die hier angesprochene musikalische Vor-Früherziehung in der Familie ist eine gute Voraussetzung für jede Früherziehung, für den Unterricht in den ersten Pflichtschulklassen, für den Beginn des Unterrichts in der Musikschule. Diese Binsenweisheit sollte wieder mehr ins Bewusstsein gerückt werden, Musiklehrer können im Gespräch viel dazu beitragen.

Wenn ich nun in mehreren Punkten auf diese ersten Kinderjahre in der Familie eingehe, dann ist dies eine wertvolle Information für alle Musikerzieher, die in ihrer Klasse ein Bündelung von unterschiedlichen Vorkenntnissen vorfinden und mehr als bisher die Rolle der Eltern stärken sollten. Ich erachte es als wichtig, dass Musikpädagogen mehr über diese erste Musikannäherung in der Familie wissen. Aus den nachstehenden Sätzen, die dem Eltern-Kind-Musizieren gewidmet sind, lässt sich Grundsätzliches für den Lehrer ableiten:

Gemeinsam die Tür zur Musik aufstoßen…

Liebe Eltern! Wenn Sie das Beste für Ihre Kleinen tun wollen: Suchen Sie nicht nach der besten musikalischen Früherziehungsgruppe, der besten Musik-Volksschule, nach dem besten Privat-Musiklehrer. Wenn es Ihnen ein ernstes Anliegen ist, Ihrem Kind die Welt der Musik zu erschließen, dann besorgen Sie zu Anfang gleich zwei Flöten oder zwei Gitarren. Lernen Sie mit Ihrem Kind mit. Es gibt für das Kleinkind keinen schöneren musikalischen Augenblick als jenen, wenn es mit Mutter, Vater oder auch mit den Geschwistern gemeinsam die Tür zur Musik aufstoßen darf.
Lassen Sie das Kind mit dem Instrument spielen, – nicht nur üben – sondern spielen. Sorgen Sie dafür, dass das Instrument auch den nachfolgenden kleineren Geschwistern zum Spielen in die Hände fällt. Griffbereite Instrumente – gleich neben dem Teddybären sind musikfördernd. Das Klimpern am Klavier weckt ja meist die erste Lust Klavier spielen zu können. Scheuen Sie keine Kosten für anfallende Reparaturen und Neukauf, Sie tun dies auch nicht beim Rasenmäher, bei der Sportkleidung etc.

Pflegen Sie in der Familie musikalische Rituale. Geburtstage, Feiertage, Ausflüge, das sollten die ersten Erfahrungen für eine Musik sein, die die jüngere mit der älteren Generation zu verbinden vermag.

Von der Erlebnisphase zur Musiktheorie

Plagen Sie Ihr Kind zuallererst nicht mit Musiktheorie. In dieser ersten Erlebnisphase beansprucht das Entdecken der Melodien und die damit verbundenen Gefühle die ganze Vorstellungskraft. Das Übersetzen einer gerade erlebten Wirklichkeit in die Theorie empfindet das Kind – richtigerweise – als Rückschritt, es klingt ja schon!

Und noch ein Appell an die Eltern: Da sie sich selbst nicht an die ersten Versuche am Instrument erinnern können, fällt es schwer, mit dem Werden von Musik umgehen zu können. Es bedarf einer unglaublichen Geduld, die stundenlangen Versuche am Klavier auszuhalten, das Pfeifen der Flöte als spielerischen Umgang mit dem Instrument zu akzeptieren, das jahrelange Kratzen auf der Geige zu erdulden. Sind es gleich mehrere Kinder die Instrumente lernen, dann multipliziert sich die Belastung. Und: Es wird schnell als Störung empfunden, wenn eine bereits passable Leistung der Größeren, vom Nachzügler mit Begeisterung durchkreuzt wird.
Meine Erfahrung: Musikerfamilien haben es da um nichts leichter, es herrscht oft wenig Verständnis für die Nachwuchsgeräusche, man möchte die Lehrjahre am liebsten überspringen und erst ab einem gewissen Können Musikerfamilie sein.

Lust und Frust – Musik im Leben

Also: Beim Instrumentalunterricht und beim gemeinsames Musizieren im Vorschul- und Pflichtschulalter – ob nun in der Schule oder im Elternhaus -bedarf es zuallererst des guten Unterrichts. Diese Jahre sind umso effizienter, wenn der Stellenwert von Musik im Leben erkannt wird. Dass es sich in diesem ersten Lebensabschnitt um ein Herantasten handelt, dass sich Fertigkeiten und Melodien am besten im Spiel einprägen, dass sie nicht dem Augenblick, sondern dem Leben dienen, liegt wohl auf der Hand.

Ja, es kostet viel Mühe, die Unzulänglichkeiten des Anfangs zu ertragen. Für die Eltern sind es nur ein paar Jahre, für Musikerzieher ist es ein Lebensberuf. Es gehört wohl zu den schönsten Aufgaben des Menschen, die nächste Generation in die musikalischen Welten einzuführen, die Sinne für Musik, Tanz und Gesang zu wecken.


Diskussionsbeitrag für die PÄDAK Graz; 1111 steht nicht für eine Jahreszahl sondern ist das Zeichen für eine noch nicht ausformulierte Quellenangabe; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.