Wenn Sie den Sinn der edlen Kopfbedeckung auf Wind- und Wetterschutz reduzieren möchten, so tun Sie das, Sie sind aber im Irrtum. Der Hut ist die Verlängerung des Hauptes, er verschmilzt mit dem Körper des Menschen und wird damit zum unverwechselbaren Merkmal.
Dabei spielt auch die Platzierung eine Rolle. Ist er tief in die Stirn gezogen, schwebt er locker auf der Haarpracht oder klebt er schneidig-verwegen schräg knapp über dem rechten Auge. Solchermaßen mit dem Hut verwachsene Fetischisten nehmen den Verlust des Mobiltelefons schmerzlos hin, während sie dem verloren gegangenen Hut sichtlich nachtrauern, denn sie fühlen sich so ganz nackt, enthutet und zugleich enthauptet.
Der Hut, die Gestik und Metapher
Wie sehr der Hut mit unserem Leben zu tun hat, zeigt die vielfältige sprachliche Verwobenheit von der Behutsamkeit bis hin zum Behütetsein. Der Hut hat sich auch in Redewendungen eingeschlichen: „Dann nehm ich meinen Hut“ ist gleichsam die Androhung, sich aus einer Sitzung zu verabschieden, weil er – der Hutnehmer – sich nicht durchsetzen konnte. Sehr geläufig ist die mit dem Hut verbundene Gestik. Das höfliche Hutheben, das sogenannte Lüften des Hutes und das saloppe Tippen an den Krempenrand als sparsame Ehrenbezeichnung und als Zeichen, dass man sein Gegenüber erkannt hat. Überliefert sind zudem zahlreiche Volkslieder, in denen der Hut vor Übermut jauchzend in die Luft geworfen wird. Für die restlose Verzweiflung hingegen wird der Hut auch gerne auf den Boden oder in den Bach geworfen:
Jetzt schmeiß in mein Huat in Båch
und spring eahm sölber nåch,
weil mi mei Tausendschåtz går neama måg.
Damit nicht genug, verwenden wir das Wort auch für vorgestrige Ansichten und meinen abwertend „Dös is a ålter Huat“, oder aber auch gerne als Zeichen der Anerkennung, wie etwa im Kompliment „Hut ab, das hast Du gut gemacht“. Soviel also zu sprachlichen Besonderheiten, bei denen der Hut als Metapher auf- oder abgesetzt wird.
Dös kånnst da am Huat stecken…
Mit dieser Redewendung sind wir beim Aufputz angekommen. Der Hut eignet sich vorzüglich für Signale nach außen und wird so auch als Statussymbol wahrgenommen. Da gibt es goldglänzende Bekenntnisse zu Vereinen, die angeheftete Liebe zur Großglockner Hochalpenstraße, die keramische Ansteck-Erinnerung an ein große Trachtentreffen, das Seidenbändchen vom Ledigenball nebst dem Sträußl Seidenblumen-Edelweiß aus Taiwan.
Und das ist alles noch nichts, denn die Krönung eines edlen Hutes ist der legendäre Gamsbart. Er ist nicht nur die Trophäe des Jagdglücks, nein, er ist auch das Zeichen der Verwegenheit, der Treffsicherheit und der jagdlichen Ehre. Zur Verwendung und zum richtigen Tragen des Gamsbartes gibt die Hutmacherei Leithner in Bad Aussee gerne Auskunft, wenngleich die überlieferten Regeln heute durch den Tourismus gehörig durcheinandergeworfen werden. Die Hüte werden nunmehr nach Gutdünken aufgeputzt, es geht ja rein um die Zierde.
Der Gamsbart aber gehört eigentlich auf den Schnurhut, das sind Hüte mit dem Kordelband. Zu diesen Modellen gehören der Goiserer Huat, der Elmhuat und der Pirsch (Dreispitz). Hinten am Hut ist eine Masche angebracht und da gehört der Gamsbart hineingesteckt. Links für Herren und rechts für die Damen, so macht man es auch bei Federn oder Blumengestecken. Gerne wird der Gamsbart auch in eine Barthülse gesteckt, sie ist aus Metall und meist kunstvoll verziert. Der ebenso beliebte Radlbart (Hirsch, Gams, Dachs) wird ausschließlich zum Original Ausseerhut, das ist jener mit dem breiten Band, getragen.
Marotten und fremde Federn
Ihr Haftelmacher ist Hutträger und meint rigoros: Einen Hut muss man entweder schneidig oder gar nicht aufsetzen. Und er pflegt eine sonderbare Marotte: In der Wirtshausgarderobe legt er den Hut nicht auf die Krempe, sondern andersrum auf den Kopf – immerzu auf ein paar Münzen hoffend, die sich in den Hut verirren. Nie und nimmer würde sich Ihr Haftlmacher einen Gamsbart auf den Hut stecken – den er nicht selber – durch einen guten Schuss – verdient hat.
Ich sitze hier
versuch`zu dichten
das ist mitnichten
ein alter Hut
trotzdem finden`s
viele gut
Das Spiel mit dem Reim scheint zeitlos zu sein. Mortzcampus (*1984)
Wer auf dem Kopf hat einen Hut,
dem steht er noch einmal so gut,
wenn er ihn oft herunter tut
Wer seine Mütze trägt auf dem Kopf
wie angewachsen an dem Schopf,
der heißt mit Recht ein grober Knopf.
Friedrich Wilhelm Güll, deutscher Dichter (1812-1879)
Sommerfrische
Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
das durch den sonnigen Himmel schreitet,
und schmücke den Hut, der dich begleitet,
mit einem grünen Reis.
Versteck dich faul in der Fülle der Gräser.
Weils wohltut, weil
s frommt.
Und bist Du ein Mundharmonikabläser
und hast Du eine bei Dir, dann spiel, was dir kommt.
Und lass deine Melodien lenken
von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiss dich. Es soll dein Denken
nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.
Joachim Ringelnatz, deutscher Lyriker, Erzähler, Maler (1883-1934)
Der bescheidene Schäfer
Mein Schäfer, ach! der ist bescheiden!
Er liebt mich, zärtlich liebt er mich!
Der Inbegriff von seinen Freuden,
sagt er mir öfters, sei nur ich,
doch bleibt er allezeit bescheiden.
Jüngst ließ die Mutter uns alleine,
was denkst du, ist alsdann geschehn?
Da stand er starr gleich einem Steine
guckt in den Hut und wollte gehn,
und ach, wir waren ganz alleine!
Christian Felix Weisse, deutscher Schriftsteller (1725-1804)
Die wahre Glückseligkeit
Das ist wohl nicht das größte Gut,
ein neues Kleid, ein neuer Hut,
der hohe Rang, die goldne Dose!
Der Hirt ist glücklicher auf Moose,
als du bei vollbesetztem Tisch,
bei Torten und dergleichen Wisch.
Er kann bei seinem leichten Essen
den Kummer und den Gram vergessen,
liebt er in Einfalt dort sein Rind.
Dies Glück macht froh die, die es haben,
ihm raubens Motten nicht, nicht Schaben.
Franz Grillparzer, Wiener Hofkonzipist und Dichter (1791-1872)
„Der Haftelmacher“, Kolumne im Gössl Gwandhaus Journal 32/ 2021, S. 64-65, Salzburg; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.