Die Wiederkehr des Regionalen

Über die Größe der kleinen Werte

Zu allererst ist das Leben einmal verwirrend: Sind wir klein, wollen wir größer werden, sind wir jung, möchten wir schon älter sein, haben wir ein Fahrrad, soll alsbald ein Auto folgen, haben wir eine Wohnung, wünschen wir uns ein Haus, haben wir eine Firma, wünschen wir uns eine Filiale, mehr Mitarbeiter und größeren Gewinn. Her mit den fetteren Jahren und Schlagzeilen, denn im Erfolgreich steckt das Reichsein.

Das Große und das Kleine

Alles Erreichte aber trägt den Keim der Sehnsucht nach dem Feinen und Kleinen in sich. Zurück also zum Anfang, als noch jeder Schritt zählenswert und jeder Erfolg an den Schweißtropfen abzulesen war: Wieder einmal im Einmannbetrieb ohne Lohnverhandlungen auskommen, nur für die Wohnung und nicht für das Hausdach verantwortlich sein, wieder einmal beim Dorffest sein, in der Theatergruppe mitspielen, Familie und Nachbarschaft genießen.

Diesen Widerstreit erleben wir alle, denn des Menschen zügellose Strebsamkeit überflügelt allzu gerne die kleine Portion Genügsamkeit, die in uns einen allzu trägen Winterschlaf hält. Wer also in diesen Wankelmut verfällt und sich lachend aus der Gigantonomie unserer Zeit zu lösen versucht, der hat die Frühjahrskur seines Lebens bereits begonnen.

Auf nach Nebenklingenberg

Wieder mehr singen, spielen und tanzen wäre auch ein Schritt in Richtung weltweiter Selbstversorgung, denn die Lieder aus Nebenklingenberg sind nicht nur wegen ihrer Kleinheit ein großer Erfolg. Nein, wo die Töne zum Leben gehören, sind sie auch ein Stück Weltmusik. Die Lieder der Völker stehen übrigens auch im Schutze der UNESCO und genießen als „Immaterielles Kulturerbe“ zu Recht eine hohe Wertigkeit.

Die Beiträge dieser Ausgabe

Wie sehr also alles Große aus den Zellen des Kleinen erwächst, ist Inhalt der für Sie zusammengestellten Beiträge, wobei Roland Girtler die Notwendigkeit von Grenzziehungen feststellt und das Überwinden derselben als eine wesentliche Lebensaufgabe betrachtet. Im musikalischen Teil trägt Evelyn Fink-Mennel zur Einordnung und Wertschätzung von lokalen Hymnen bei, führt uns zu Kitsch und Patriotismus und zu Peter Roseggers „Ein Freund ging nach Amerika“. Bernhard Körner aber beleuchtet die Volksfrömmigkeit – kritisch aber als Faktum einer gelebten und selbst gesuchten Instanz – als nur scheinbarer Widerpart zur offiziellen Lehre der Kirche.

Leopold Neuhold weiß, dass die Zufriedenheit zu Unrecht nach dem Kleinbürgerlichen riecht, ebenso wie sehr die großen Perspektiven aus dem kleinen Selbstverständlichen erwachsen. Wenn aber ein Arzt über das Heimweh Bescheid weiß, dann auch über das Fernweh. Peter Krisper konnte beides nicht im Blut nachweisen, führt uns aber zu einem bemerkenswerten Befund. Edith Zitz mahnt die jeweils persönliche Umsetzung einer ökologischen Grundsicherung ein und sympathisiert mit einem freundlichen Chaotismus, der die Herzen berühren möge. „Das Einfache einfach tun, anstatt es kompliziert zu unterlassen“, meint schließlich Ralph Liebing und plädiert für ein bewusstes Einkaufen als gelebte Regionalität und Saisonalität.

Wohin also des Weges?

Wenn wir Sie auf solch weitreichende interessante Pfade führen, dann tun wir dies in der Absicht, in Ihnen die große Welt aus den kleinen Schätzen unserer Traditionen entstehen zu lassen. Richtig: Das Angebot an Events und digitaler Versorgung mit der Fertigware lässt uns beinahe zweifeln. Ebenso richtig: Das ist eine Herausforderung die wir annehmen sollten, auch wenn uns die Zeichen noch so verwirrend erscheinen…


Der Vierzeiler, Leitartikel Zum Titelbild und Thema, 27. Jahrgang, 1/ 2007; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.