Die Brucker Ålmpfeiferl sind verklungen …

Der Volksmusikforschung und den Volkskundlern ist dieses Kapitel steirischer Instrumentenbaukunst natürlich bekannt. Außer in Lokalzeitungen (1) und in Fachzeitschriften (2) ist darüber kaum etwas in die Öffentlichkeit gedrungen.

Professor Walter Wünsch, Karl Magnus Klier und der Musikerzieher Viktor Korda, alle haben sich um die Brucker Ålmpfeiferl bemüht und haben in den fünfziger Jahren mit Dr. Hans Robitsch, dem legendären steirischen Flötenerzeuger, Kontakt gehalten. Dies geht alles aus dem Briefverkehr hervor, den mir Frau Prof. Margarete Robitsch, die Witwe des Instrumentenmachers, nebst einer Anhäufung von Grifftabellen, Fachliteratur und Detailplänen zum Flötenbau, im Jahr 1991 überlassen hat.

Die Geburtsstunde in der Renaissancezeit

Die Brucker Ålmpfeiferl sind volkstümliche Nachfahren der Blockflöte, die in der Renaissancezeit wie viele der damaligen Instrumente in ganzen Stimmfamilien vom Kleinflötlein bis zum Großbass in Verwendung waren. In der Barockzeit kannte man fast nur mehr die Altflöte in f´, jedoch war diese zu einem ausgesprochenen Solo- und Virtuosen – Instrument hochgezüchtet worden. Mit dem Stilwandel zum Ende der Barockzeit verdrängte die Querflöte die Familie der Längsflöten und diese wurden vollständig vergessen. Erst die Jugendmusikbewegung und die moderne Musikerziehung nach dem Ersten Weltkrieg wendete sich mit der Abkehr von der Romantik wieder den Schätzen und dem Instrumentarium der polyphonen Zeit zu.

Das Instrument für Almausflüge

Die Brucker Ålmpfeiferl zeigen als Nachläufer der historischen Blockflöte Kleinformen (ungewöhnlich hoch in c´´´) und vereinfachte äußere Formen mit wenig Zierrillen. Entweder als Relikt oder als Vereinfachung zeigen sie sechs Grifflöcher statt acht, wie die historische Blockflöte der Blütezeit. Auch die historische Querflöte und die meisten Hirtenflöten haben nur sechs Grifflöcher. Dr. Robitsch konnte noch die Nachkommen der letzten Spieler in Bruck befragen. Es waren vorwiegend städtische Bürger, die das Spiel zuletzt pflegten. Die Verwendung dieser Flöten ist vor allem in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in der Gegend um Bruck belegt. Allerdings existierten noch vor dem Ersten Weltkrieg in Bruck mehrere Spielgruppen. Das waren Burschen, die bei Almausflügen spielten. Die Pfeiferl sollen besonders schön auch zur Steirischen Harmonika geklungen haben. Viktor Korda in einem Artikel: „Auf der Alm müssen sie wie Vogelstimmen süß und klar geklungen haben.“

Der Instrumentenbauer Dr. Hans Robitsch

Als Erzeuger dieser sonderlichen Form wird um 1862 der Grazer Drechsler A. Schweffer genannt. In Bruck selbst verweist ein Prospekt (um 1910) auf den Instrumentenerzeuger Cal Barbolani. Die Erkenntnisse über die Brucker Ålmpfeiferl verdanken wir zum Großteil dem Instrumentenbauer Dr. Robitsch. Er studierte in Graz Naturwissenschaft und interessierte sich schon als Student für den Instrumentenbau. 1951 legte er die Meisterprüfung ab und erzeugte sodann in guten Zeiten jährlich an die 2000 Blockflöten der Marke Telemann. Dr. Robitsch ging mit wissenschaftlicher Akribie der Erforschung der Brucker Ålmpfeiferl nach, erzeugte nach alten Vorlagen einige Stücke und veröffentlichte unzählige Aufsätze zu diesem Thema.

Zum Weiterschlafen verurteilt?

Regen Gedankenaustausch pflegte er mit Fachkollegen und Musikerziehern. Es sieht so aus, als ob er diesen altertümlichen Instrumenten eine Chance geben wollte. Aber schon 1957 schrieb er an Karl Magnus Klier: „Die Almpfeiferl sind wahrscheinlich zum Weiterschlafen verurteilt, weil sie der Blockflöte zu nahe stehen und diese eine zu große Auswahlliteratur und Verwendungsmöglichkeit bietet. Außerdem scheint es kulturell wirklich eine Endform, eine Sackgasse zu sein, und hat keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr, wie etwa die gewöhnliche Schwegelpfeife sie immer noch hat.“

Auch für uns bleibt es ein Rätsel, warum ein Instrument, das sich in der Volksmusik bewährt hat, trotz der Möglichkeit der Herstellung, nicht wiederbelebt werden konnte.

1 Franz Röschel, „Pfeiferlbuam“, in: Obersteirische Zeitung, 16. Dezember 1930.
Walter Wünsch, „Versuche mit alten Musikinstrumenten“, in: Südost Tagespost v. 24. August 1960, S. 3–4.
2 Hans Sowinski, „Steirische Volksmusikinstrumente, in: Das Joanneum – Musik im Ostalpenraum, Graz 1940.
Hans Robitsch, „Neues von den Brucker Almpfeiferln“, in: Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes, Band VI/1957, S. 149–153.


„Der Vierzeiler“, 1-2/ 1995; Sätze und Gegensätze, Band 10/ 1999; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.