Volkskultur kann als Ausdruck des ”Lebens in überlieferten Ordnungen” gelten, wie dies Leopold Schmidt formuliert hat.
Zu diesen Ordnungen menschlichen Zusammenlebens (die in unserer Zeit zunehmend im Auflösen begriffen sind) zählen – vom Kleinen zum Großen fortschreitend, Familie, Haus- und Hofgemeinschaften (sowohl im bäuerlichen als auch im handwerklichen Bereich, auch Arbeitsgemeinschaft), Nachbarschaft, Dorf, Pfarre. In diesem Rahmen haben sich bestimmte Formen des Zusammenlebens in fest umrissener Gemeinschaft entwickelt.
Die Ausgangspunkte kultureller Werte
Arbeiten und Feiern können nur als übergeordnete Bereiche genannt werden, innerhalb derer sich kulturelle Werte im weitesten Sinn entwickelt haben: Arbeitsformen, Arbeitsteilung, Nachbarschaftshilfe. Weiters: Wohnen, Kleiden, Bräuche (in weiten Bereichen als ”Liturgie des Volksglaubens” – Viktor von Geramb!) im Lebens- und Jahrlauf, vielfach geprägt vom Verlauf des Kirchenjahres; nicht zuletzt und vielfach im Brauchtum verwoben: Singen, Musizieren und Tanzen, aber auch Erzählen, Rätselraten und ähnliches, Ausdrucksformen mündlicher Überlieferung. (Nach Dr. Maria Lackner-Kundegraber)
Es geht nicht nur um den klingenden und bunten Teil des Lebens
Zur Volkskultur muss man also nicht nur die Höhepunkte des Zusammenlebens zählen, sondern auch den Umgang miteinander, mit überlieferten Traditionen und den Errungenschaften der Zeit. Meist wird aber unter Volkskultur nur der klingende und plakative Teil wahrgenommen, der wiederum gerne ausgebeutet und vermarktet wird. Die Menschen selbst erleben Brauchtum als soziales Handeln und werden erst durch den Medienmarkt angehalten, den plakativen Teil von Volkskultur aus ihrem umfassenden Bild herauszuschälen. Daraus ergibt sich, dass es sehr wesentliche Bereiche sind, die auf die Lebensgesetze der Volkskultur einwirken:
1. Medien
Vorerst gibt es Berührungsängste. Der ideologische Missbrauch und die Ausbeutung der plakativen Teile von Volkskultur veranlasst viele Intellektuelle, das Thema links liegen zu lassen. Es fehlt jeder volkskundliche Hintergrund, es herrscht Unkenntnis über die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Ereignissen und musikalischem Tun. Die Flucht in die Berichte über Alpenrock und Artikel in der Klatschspalte im Schicki micki- Stil, bedeuten eine Flucht aus der Verantwortung gegenüber einem sehr sensiblen Kulturbereich.
2. Politik
Auch hier: Berührungsängste. Niemand will in Verdacht geraten, Relikte aus einer vergangenen Zeit heraufzubeschwören und kein Politiker möchte ein konservativer sein, auch der konservative nicht. Volkskultur soll zwar nicht politisch vereinnahmt werden und trotzdem bedeutet die Subventions- – und Förderpolitik des Landes, dass hier ein wesentlicher Eingriff in die Gestaltung und in den Ablauf genommen wird. Volkskultur ist auch ein Mittel, sich betont volksnah zu geben, um quasi an der Basis teilzuhaben. Die erwähnten Berührungsängste und Bedenken haben dazu geführt, dass es in der Steiermark zwar verschiedene Institutionen gibt, die Teilinteressen betreuen und abdecken, dass es aber kaum Gedankenaustausch und noch weniger ein gemeinsames Konzept gibt.
Volkskultur kann weder regiert werden noch nach Schema F gefördert werden. Politiker sollten jedoch Bescheid wissen und Erkenntnissen Rechnung tragen. Die Gründung des ”Forum Volkskultur Steiermark” wäre ein erster Schritt, der den Dialog erleichtern würde und Politikern, sowie Medienvertretern eine Sichterweiterung bringen könnte. Ziele einer solchen Institution könnten sein:
1. Die Begriffsbestimmung Volkskultur soll immer wieder neu formuliert werden und soll Medienvertreter und Politiker für dieses Thema sensibilisieren.
2. Beiträge zur Meinungsfindung und zur Aufklärung (Erstellen von Lehrfilmen, Öffentlichkeitsarbeit, Untersuchung, seriöse Umfrage).
3. Ein ”Forum Volkskultur” sollte in die derzeitigen Erscheinungsformen nicht eingreifen. Als Anwalt der Volkskultur sollte es aber über die Möglichkeit freier Entfaltung von kulturellem Leben Bescheid wissen und sollte jeder Ausschaltung von Entfaltungsmöglichkeiten entgegentreten. Es sollte nicht gegen natürliche Verluste und zeitbedingte Innovation Stellung bezogen werden, sondern gegen Eingriffe in unser kulturelles Leben, hervorgerufen durch Gesetzesänderungen und blindes Fortschrittsdenken.
Nur einige exemplarische Beispiele der Anwendbarkeit:
a) Der Einspruch gegen die Anwendung der Hygienegesetze bei Schutzhütten. Die Nichtfinanzierbarkeit solcher Auflagen kann die Einstellung solcher Betriebe bewirken und damit auch ein wichtiges kulturell-geselliges Anliegen untergraben.
b) Auftreten gegen den Missbrauch von Volksmusik. Die widerrechtliche Anmeldung überlieferter Musikstücke und Lieder kann freie gesellige musikalische Entfaltung verhindern.
c) Einspruch gegen die gesetzliche Auflage, in kleinen Gemeinden Leichenhallen zu errichten und Aufbahrungs- und Trauerhaus damit zu verdrängen. Dieses Vorgehen kann (hat) in kürzester Zeit musikalisch-menschlich wertvolles Totenbrauchtum verhindern(t).
d) Zurechtrücken des Stellenwertes von Volkskultur. Bislang war Volkskultur einfach „von Gestern“. Allerdings scheint sich bereits eine deutliche Gegenentwicklung abzuzeichnen.
Mögliche Vorgangsweise und Initiativen:
1. Wir kennen mehrere Volkskulturaktivisten, die in ihrem Bereich beispielhaft vorgehen. Wir wollen sie auffordern, ihre nächsten Aktivitäten zu dokumentieren um sie bei einer Studientagung vorstellen zu können. Durchführung dieser Studientagung. Ideensammlung, Begriffsbestimmung, bisherige Erfahrungen, Problematik der Förderungen, etc. Zu dieser Studientagung sollen Fachleute aus dem Bereich Volkskunde und Kulturpolitik eingeladen werden.
2. Konstituierung eines Volkskultur-Beirates. Er soll die Ergebnisse der Studientagung formulieren und die Anliegen an a) Politiker und b) Journalisten weiterleiten.
3. Initiativen
a) Durchführung einer Arbeitstagung „Volkskultur und Journalismus“ und zu anderen Themen.
b) Veranlassung von Umfragen zum Thema Volkskultur
c) Öffentlichkeitsarbeit in Form von Sensibilisierung der Medien für Themen der Volkskultur. Wir beauftragen Journalisten mit der Gestaltung von Beiträgen.
d) Beiträge zu Fragen der Volkskultur sollen den volkskulturellen Verbänden nahegebracht werden.
e) Herstellen von Lehrmitteln zum Thema Volkskultur (Filme, Broschüren).
f) Volkskultur in Wort & Bild (siehe Beispiel NÖ. Brauchtumskalender).
g) Ständige Einbindung der Volkskultur in das allgemeine Kulturanliegen. Begegnungen zwischen Volkskultur und Kulturinitiativen; Volkskultur und anderen Kulturträgern.
Den Nährboden zur Verfügung stellen
Voraussetzung für ein Gelingen ist die Einbindung von Volkskultur in das allgemein kulturelle Anliegen. Der brauchtümliche Umgang und der Gebrauchswert aller musisch handwerklichen Phänomene der Volkskultur ist ein wesentlicher und wertvoller Pol gegen die Verschulung und Verhirnung (nach Prof. Seidler, Humanbiologe) unseres instinktmäßigen Umganges mit überlieferten Werten. Die Akzeptanz des Lebens in überlieferten Formen ist anzustreben, dazu könnte die Medienwelt positiv beitragen. Die Behübschung des Brauchtums, die bühnenmäßíg bunte Darstellung ohne die Einbindung des tatsächlichen normalen Lebens ist nicht zielführend auch wenn sich heute ein Bedarf an Selbstdarstellung durchaus feststellen lässt.
Volkskulturarbeit muss beim Nährboden einsetzen und kann sich nicht im Veranstaltungsmanagement erschöpfen. Die Lebensgesetze von Volkskultur müssen Berücksichtigung finden.
Referat aus unbekanntem Anlass, 1999; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.