Gerne gebe ich es zu: Ein Haftlmacher geht den Dingen mit Akribie ans Detail, sonst wäre er ja keiner. Er nimmt sich die Freiheit heraus, bald einmal gegen etwas zu sein, anderes kategorisch auszuschließen oder gar links liegen zu lassen.
Nein, verzeihen Sie mir, das tut er natürlich nicht, er lässt gar nichts unkommentiert, zeigt stattdessen mit dem Finger auf die vermeintliche Wunde, wie es ein geborener Querulant eben gerne tut. Ja, so einer bin ich, der sich sogar an dem reinen WEISS stößt und dieses sogar als gräulich empfindet.
Ist WEISS eine Farbe, oder gar keine Farbe?
Stutzen hin und Stutzen her – wie dem auch sei: Dem WEISS muss man zugestehen, ein starkes Signal abzugeben und damit dem SCHWARZ kontrastreich zu kontern. Die Mystiker würden gleich von Licht und Schatten, von Helligkeit und Dunkelheit reden, weil sie gegenseitig um ihre Vormacht kämpfen und im Wechselspiel von Tag und Nacht ihre Entsprechung finden. Um dem WEISS die Ehre zu erweisen sei daran erinnert, dass ein leeres, unbeschriebenes Blatt Papier an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriglässt. Es signalisiert zumindest, nichts Falsches verbreiten zu wollen. Ein unbeschriebenes Blatt steht außerdem für jemanden, der sein Geheimnis gut zu hüten versteht. Und natürlich steht das WEISS auch für die Jungfräulichkeit und deshalb ist ein weißes Brautkleid seit eh und je ein Zeichen der Unschuld.
Viel wichtiger ist es aber zu wissen, dass wir dem SCHWARZ-WEISS Foto und dem SCHWARZ-WEISS Fernsehen längst den Rücken zugekehrt haben und nunmehr dem Bunten gänzlich verfallen sind. Es ist ja kein Wunder, dass wir uns von eintöniger Musik abwenden und dafür den bunten und reizvollen Akkorden den Vorzug geben. Ja, das Ohr und das Auge – beide sind Color-verwöhnt und bitten stets um weitere Nuancen des Farbenspiels. Man hört ja immer öfter: Die Welt ist bunter geworden.
Weiße Stutzen in der Tierwelt
Manchmal tut es gut, uns in der Tierwelt umzusehen. Dort geht es nicht nur um Tarnung sondern ebenso um den Status im Gehege, um das Herausspielen von männlich und weiblichem Gehabe, womit wir ganz leicht Entsprechungen zu menschlichen Verhaltensweisen finden. Der bunte Hahn zeigt – neben dem bunten Gefieder – seine Wichtigkeit mit dem aufreizenden Kräher, der uns das Mark erschüttert. Und die weißen Stutzen finden sich bei den aus Ostasien stammenden Seidenhühnern, deren Gefieder sich bis hinunter über die fünfzehigen Läufe zieht. Sie sind prachtvoll und beinahe von nobler und modischer Finesse, die offensichtlich beim Scharren im Hühnerhof das Höfische herausstreichen sollen.
Bei manchen Pferderassen wiederum finden wir leuchtend weiße Fesseln. Je nach Laune der Natur oder auch der Züchtung gibt es halbweiße Fesseln, bis zu hochweißem Fuß oder auch hochweißem Stiefel – wie die Fachleute es nennen. Wenn die Herde losgelassen und im Gewirr der Vorder- und Hinterläufe das WEISS im Staub aufblitzt, schlägt das Herz des Pferdeliebhabers höher.
Ja, deren Beispiele aus dem Tierreich gibt es viele und ich denke, dass sie seit jeher auch dem Menschen zum Vorbild gereichten. „Sich in die Schale werfen“ ist ein faszinierendes Spiel, dem kaum jemand wiederstehen kann. Die alljährlich wechselnden Modefarben liefern die Signale für eigenes Wohlbefinden, für das Herausstreichen des eigenen Geschmacks und für das positive Auffallen am Laufsteg des Alltags.
…und als Sinnbild für die politische Gesinnung
Dass es die weißen Stutzen bis ins Adjustierungsritual der Hitlerjugend geschafft haben, das weiß heute kaum jemand mehr. Dabei ging es vor allem um die Instrumentalisierung der Tracht, des Brauchtums und der Musik im Sinne des nationalsozialistischen Gedankenguts. Gleichzeitig aber auch um das Herabwürdigen anderer, fremder Kulturgüter. Und irgendwie sieht Ihr Haftlmacher eine Parallele zu den weißen Stutzen der Rösser, wenn die Hitlerjugend im gleichen Schritt und Tritt über die staubige Landstraße marschiert und die weißen Stutzen dem Rhythmus der Trommel gerecht werden.
Also sind sie doch gräulich…
Das alles bewegt mich dazu, die weißen Stutzen abzulehnen, sie zu NO GOS zu erklären, sie zu denunzieren, ihnen Verwerflichkeit vorzuwerfen, ihnen gerade einmal das Verdecken der Krampfadern gutzuschreiben. Mehr auch nicht.
Welch Freude aber verspürt Ihr Haftelmacher, wenn er im bunten Stutzenladen wühlt, sich zu Farbkombinationen zu Herren – und Damentracht vorarbeitet, sich das feine Strickwerk über die Finger zieht. Handwerk fasziniert nach wie vor. Mit den farblichen Nuancen ist eine endlose Kette von bunter Verwandlung möglich. Lust und Laune haben hier ihr weit offenes Freigehege.
Heute ist ein guter Tag für eine kleine Ausnahme…*
Dass im Heiligen Land Tirol die weißen Trachtenstutzen schon lange Tradition sind und diese Überlieferung keineswegs angetastet wird, streicht des Haftlmachers sonst wenig ausgeprägt nachsichtiges Naturell heraus. Und als einer, dem Fachkompetenz noch nie eine Triebfeder war erlaube ich mir zu sagen: Die Hitlerjugend hat sich die weißen Stutzen aus der Tierwelt abgeluchst und das ist genug verwerflich.
Was also die Tiroler betrifft, entscheidet Ihr Haftlmacher einstimmig und überzeugt: Den Tirolern steht seit eh und je eine kleine Ausnahme zu…
*Harriet Grundmann (Harry) eDITION GUTE GEISTER
Kolumne im Gwandhaus Journal 31/ 2020, S. 76-77, Salzburg; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.