Bei aller Begeisterung für regionale Kultur, für überlieferte Kulinarik und Brauchtum, für altes Handwerk, für Musik und Tanz habe ich ein komisches Gefühl dabei. Freilich hat auch diese Kultur eine über ihre Funktion hinaus gehende Berechtigung, hergezeigt zu werden. Und es ist auch schön, sich einmal selber zu feiern. Die Menschen am Lande haben es aber auch notwendig, sich gegenüber dem Ballungsraum zu behaupten, beinahe würde ich sagen: Zu demonstrieren, welche Vielfalt am Lande gelebt wird und dass mit der Entfernung vom Ballungsraum die Bodenhaftung zunimmt – mit ihr aber auch die kulturelle Selbstverantwortung.
Zurück zum „Aufsteirern“: Warum habe ich dennoch ein ungutes Gefühl dabei? Weil für Brauchtum und Regionalität das ganz einfache Leben am Lande funktionieren muss. Es sind kulturelle Grundsäulen, sagen wir besser der Humus vonnöten, um Musik, Gesang, Tanz und Brauchtum gemeinsam zu tragen. Tatsache aber ist, dass der ländliche Raum seit Jahrzehnten ausgeblutet wird. Neuerdings haben wir einen Mangel an Ärzten in den Gemeinden, schon länger aber werden kleine Schulen, Polizeidienststellen, Postämter eingespart und ebenso verschwinden die kleinen Kaufhäuser für die Nahversorgung. Zuguterletzt: Immer mehr kleine Gasthäuser schließen, sie wären aber als Zentren für die Begegnung am Lande wichtig.
Das alles wären aber die Grundlagen für die bunte und herzeigbare Seite des Landlebens und für Feste wie „Aufsteirern“. Diese Strukturen wieder aufzubauen wäre ein Gebot der Stunde.
Leserbrief zum Thema „Aufsteirern“, 2018; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.