Musik und Sprache als Einheit
Von seiner historischen Entwicklung her ist das Steirische Volksliedwerk zuallererst eine Forschungsstelle.
Im Laufe eines Jahrhunderts entstand eine mit etwa 50.000 Belegen ausgestattete Sammlung, die der wissenschaftlichen Analyse ebenso wie dem praktischen Gebrauch dient. Der Forschungsansatz war aber seit Anbeginn kein separater Teil in der Unternehmensstruktur des Volksliedwerkes, sondern die Grundlage für alle weiteren Arbeitsbereiche wie Kurs-, Veranstaltungs-, Beratungs- und Publikationstätigkeit. Daraus resultiert einerseits die Definition der Zielgruppe:
Das Steirische Volksliedwerk ist eine Forschungs- und Förderungsstelle für traditionelle Musik und Poesie ebenso Auskunftsstelle für alte und neue Bräuche. Sie steht daher allen Steirerinnen und Steirern zur Verfügung. Es ist eine Bildungseinrichtung sondergleichen mit dem hohen Auftrag, den Zugang zum Leben mit Traditionen aufzuzeigen, neue Lebensentwürfe mit den familiären Ritualen in Einklang zu bringen. Ein wesentlicher Motor ist uns dabei die offensichtliche Sehnsucht vieler Menschen nach einem Mindestmaß an Beständigkeit. Daraus resultiert andererseits unser Selbstverständnis als kulturpolitische Initiative, die mit ihrer Kompetenz an der Gestaltung des Landes mitarbeitet.
Musik und Sprache als Einheit
Während im Musikschaffen allgemein von Textautoren und Musikautoren die Rede ist und die beiden schöpferischen Bereiche eines Werkes in vielen Fällen sehr unterschiedlich gehandhabt und beurteilt werden, gilt in der Volksmusik Text und Melodie als große Einheit, als gemeinsamer Entwurf des Augenblicks. Aus diesem Grund ist Volksdichtung, Volkspoesie und Mundart stets auch Inhalt der Volksliedforschung gewesen, sowie auch die Instrumentalmusik und der Volkstanz selbstverständlich Teil der Liedforschung sind und im Begriff „Volksliedwerk“ der gesamte Bereich der vokalen und instrumentalen Volksmusik, aber auch der Volksdichtung und der Volkspoesie (Märchen, Sage etc.) steckt. Dementsprechend reich ist Volksdichtung und Volkspoesie bzw. unsere Mundart in der Bibliothek des Volksliedwerkes vertreten.
Die Kostbarkeiten der Sprache
Wenngleich die Forschungs- und Sammeltätigkeit schwerpunktmäßig Volkslied und Volksmusik betreffen, gab es stets Bemühungen um das Randthema Volkspoesie, seit 25 Jahren als Projekt „Volkspoesie und Volksdichtung“. Dabei galt stets der Auftrag, die Freude am Dichten und Schreiben zu dokumentieren, gibt es doch nach unserer Erfahrung in jedem Ort und sogar in jeder Familie eine Person, die zu festlichen Anlässen gern Gedichte verfasst. Vieles davon ist noch unentdeckt.
Dokumente der Freude am Schreiben
Die bislang angelegte Sammlung beinhaltet alle Facetten der Schreibkunst – Gedichte, Gstanzl`n, Witze bis zu Geschichten, dies jeweils in Mundart oder in Hochsprache. In dieses Projekt wurden alle Menschen einbezogen, die Freude am Schreiben und Dichten haben, und es wurde dabei auf eine breit angelegte Sammlung Wert gelegt und nicht irgendein Qualitätsbegriff als erstes Kriterium herangezogen. Bislang sind 700 Dichter und Schreiber mit ihren Werken erfasst, wobei die eingesandten Materialien jeweils mit der Lebensgeschichte, mit dem Porträt des Dichters oder der Dichterin, teilweise auch mit Hörproben ergänzt werden. Es gibt dabei Einzelblätter, ebenso aber Konvolute die mehrere Hundert Werke umfassen. Insgesamt sind etwa 13.000 Werke verzeichnet, zusätzlich zu den etwa 700 gebundenen Ausgaben in der Bibliothek.
Materialsicherung und Wertschätzung
Bei weitem nicht alle Einsendungen sind für die Veröffentlichungen gedacht, so z.B. die Werke der Anlassdichter, welche uns aber aus Forschungsgründen ein besonderes Anliegen sind. Die Sammlung wächst weiter, wir setzen damit einerseits ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber allen schöpferischen Kräften die in diesem Bereich tätig sind. Andererseits ist dies aber auch eine Materialsammlung, die später einmal Grundlage für eine wissenschaftliche Analyse bietet.
Es ist uns bewusst, dass diese Sammlung zum Thema Poesie und Mundart nur eine exemplarische Darstellung der Freude am Dichten und Schreiben ist. Damit ist erst einmal ein kleiner Teil jener vielfältigen Lebendigkeit der Sprache dokumentiert, die in der Steiermark in jedem Dorf anzufinden ist.
Tun Sie dichten oder schreiben,
lass`n s` uns davon was wissen,
denn unsre Leute im Archiv
wollen grad Ihr Werk nicht missen.
Nehmen Sie sich gleich die Zeit
und schick`n s` uns ein paar der Reime,
Kosten entsteh`n dadurch keine
und Ihre Worte werden Ewigkeit.
Steirerland, Magazin für Kultur, Brauchtum und Tourismus. Bund Steirischer Heimatdichter, Graz Heft 2/ 2006; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.