Die neuerliche Ressortabspaltung der Volkskultur von der Kultur ist für die Mehrheit der Akteure enttäuschend und zwar auch für jene, die in der letzten Regierungsperiode durchaus von einem eigenen Referat Volkskultur profitiert haben.
Während nämlich in den Köpfen der Politiker und der Beamten eine Teilung vorgenommen wird, die einfach nicht schlüssig ist (Blasmusik, Chormusik – Kunstmusik) hat sich längst ein harmonischer Umgang in der Bevölkerung breit gemacht. Kulturbedürfnisse werden heute ungehemmt aus dem Bereich der Hochkunst, der Unterhaltungsbranche, der Volkskunst abgedeckt, neue und alte Bräuche werden spielend zum Lebensinhalt.
Das ist eine gute Entwicklung…
und deshalb ist die Optik der neuerlichen Kulturteilung eine fatale. Kultur demnach links und fortschrittlich, Volkskultur rechts und von gestern. Ein Vierteljahrhundert der Bemühungen um neue Zugänge zur Tradition, um die schöne Verbindung des Alten mit dem Neuen, das Aufbereiten einer Spielwiese auf der die Sehnsucht nach Tradition mit der Sehnsucht nach Neuem verständlich und erlebbar gemacht wird, ist an den führenden Köpfen des Landes vorbeigegangen, anders ist ein solcher Schritt nicht zu erklären. Hier sei auch angeführt, dass die Zeitschrift „Der Vierzeiler“ bislang eine Aufklärungsschrift in diese Richtung war und dass sich Volkskultur-Verantwortliche aller Bundesländer diese Form des Kulturjournalismus zum Beispiel genommen haben.
Wer holt die Volkskultur aus dem Schachterl?
Dieser Tatsache muss sich der oder die Volkskultur-zuständige Politiker(in) bewusst sein, um nunmehr – nach vollendeten Tatsachen – die Volkskultur aus dem Schachterl zu holen, wo sie nicht hingehört. Das wäre sozusagen eine erste Verpflichtung.
Da wäre auch zu erwähnen, dass bislang nur 5% des Kulturbudgets diesem Bereich der Kulturarbeit zufallen, dass aber andererseits eine besonders hohe Akzeptanz für alle diese Bereiche in der Öffentlichkeit gegeben ist. Nebenbei sei erwähnt, dass überdurchschnittlich viel Energie für diese traditionelle Kulturarbeit ehrenamtlich aufgewendet wird. Ein hoher Anteil dieser Kultur liegt eben nicht als Marktnische am Präsentierteller sondern wird emotional getragen, selber gebraucht und weitergegeben. Das ist eine Kulturäußerung mit eigenen Lebensgesetzen, die nur in geringem Ausmaß den Marketingstrategien heutiger Kulturprogrammatik folgt.
Wer denkt an die Lebensgesetze?
Und noch etwas: Der bislang zuständige Politiker für Volkskultur – jener, dem erstmals dieser Teilbereich zugefallen ist, hat die Latte hochgelegt. Es ist ihm mehr gelungen für die Volkskultur zu tun, als allen anderen Politikern zuvor. Dazu gehört einerseits die ganz persönliche Zuwendung und Beschäftigung mit den Anliegen der Akteure und andererseits Schwerpunktsetzungen. Teilbereiche davon aber – nämlich die augenscheinlich erfolgreichen und plakativen – laufen den vorher erwähnten Lebensgesetzen zuwider.
Viel Geld für die Oberflächenbehandlung
Dazu zählt die Großveranstaltung Aufsteirern ebenso wie der Volkskulturkalender und das Volkskultur-Jahrbuch. Dafür wurde auch verhältnismäßig viel Geld aufgewendet, während die Verbände immer noch um die notwendigste Ausstattung zu kämpfen haben. Es sind zudem Aktivitäten die in die Enge führen und den Teil Volkskultur noch mehr von anderen Kulturäußerungen abgrenzen. Hier wäre zu regulieren. Das Fest Aufsteirern würde alle zwei bis drei Jahre mehr bewirken, den Demonstrationscharakter und das Messe – Klima wieder verlieren und wieder eine sympathische Darstellung der Volkskultur ermöglichen. Noch mehr könnten wir bewirken, wenn wir die EU-Öffnung nach Süden und Südosten ernst nehmen und daraus ein Fest der Regionen machen. Das Aufsteirern-Team gehört dahingehend professionell beraten.
Wir und unsere Nachbarn
Die Steiermark bräuchte dringend eine Konzertreihe „Wir und die Nachbarn“, die es im Brucknerhaus Linz und im Konzerthaus Wien schon längst gibt. Die Begegnung mit den Nachbarn könnte durchaus ein Schwerpunkt sein, bei dem sich zahlreiche Verbände mit unterschiedlichen Inhalten beteiligen könnten.
Das Volkskultur-Jahrbuch zeigt ebenso Enge wie der Volkskulturkalender. Schade um den Aufwand. Viel besser wäre ein neues Bemühen um die Medien, die die Inhalte dieser Kulturarbeit entsprechend transportieren könnten. Neue Vereinbarungen mit dem ORF ebenso mit den Printmedien gehören längst getroffen. Volkskultur stets auf der Kulturseite und nicht im internen Kalender, wo sich die Akteure nur selber finden.
Warum soll Kunstmusik in eine Schiene gezwängt werden?
Die Volkskulturverbände (z.B. Blasmusik, Chöre) spielen zu einem Großteil Kunstmusik und sind nur in Teilbereichen im Brauchtum verankert.
Die im Forum Volkskultur zusammengefassten Organisationen haben völlig unterschiedliche Strukturen und Aufgabenbereiche und sollten schon deshalb unterschiedlichen Förderbedingungen unterliegen.
Die Trennung in Volkskultur und Kultur lässt die Optik „Kultur links – Volkskultur rechts“ entstehen. Es ist daher die Aufgabe des zuständigen Ressortleiters, hier gegen zu steuern:
Etwa durch den Brückenschlag zu anderen Ressorts (Soziales, Kultur, Tourismus, Bildung) und bewusste Gemeinsamkeiten des Volkskultur- und Kulturreferates (Aufsteirern, Volkskulturpreis..)
Freiwerdende Gelder sollten für die Grundförderung der Verbände verwendet werden, denn die Volkskulturarbeit braucht erstklassige Kompetenzzentren.
Förderungen nicht immer an Innovation und Internationales binden, Kultur will auch ganz einfach getragen werden. Innovation ist es auch, wenn sich kulturelle Äußerungen nur im Laufe eines Jahrhunderts verändern. Die Erneuerung der Förderrichtlinien für Volkskultur wäre dringend notwendig.
Das könnten Schwerpunkte für die Zukunft sein:
Keine Berührungsängste zwischen Tradition und Moderne
Musik der Nachbarn kennen lernen
Aufsteirern überdenken/ nur alle drei bis vier Jahre
permanent Medienpakete statt Volkskulturkalender
Jugendprojekte mehr fördern
ProImpuls- Referenten-Ausbildung für Jugend / Senioren
Mit Volkskultur lassen sich Arbeitsplätze schaffen
Forschungsprojekte besser fördern
Der Tradition einen Platz im Kulturbeirat geben
Gemeinsamkeiten mit Kulturinstituten suchen
Verbindung zu anderen Ressorts fördern
Und da wären noch zu überdenken…
Das Kompetenzzentrum Volksliedwerk kämpft seit Jahren um eine Regelung bezüglich des Hauses Herdergasse 3 und wird nicht gehört. Anfragen an die zuständige Abteilung werden nicht beantwortet. Derzeitige Handhabung und Hemmnisse durch das Referat Volkskultur sind kontraproduktiv und demotivierend.
Diese Kolumne sollte vor der Wahl in der ÖVP-Zeitung „Die Steirische“ erscheinen, wurde aber nicht gedruckt…
Die hochgejubelte 5%-Kultur…
Es sind gerade einmal 5% des Landeskulturbudgets, die alljährlich in den Volks-Kulturbereich fließen. Nach der Leistungsschau – und eine solche war „Aufsteirern“ ist man bass erstaunt, über Produktivität, Vielfalt, Liebe zum Detail, persönliches Engagement und Innovationen. Schlussfolgerung: Das ist die günstigste Kultursparte überhaupt, eine mit breitester Basis und Akzeptanz. Es liegt mir fern, die schon errungenen 5% schlecht zu machen, sie sind aber in Summe zu wenig und optisch erst recht, wenn es wie gesagt um ein geradezu unglaublich breites Interesse geht.
„Aufsteirern“ ist ein Fest für alle, zu Wahlzeiten meine ich auch all jene, die sich dieser Wahl stellen. Ich weiß schon, dass es auch eine Gelegenheit war, sich in Vorwahlzeiten im Heimatbad zu baden. Ich glaube aber auch, dass es nun unterm Steirerhut einen breiten politischen Konsens gibt: Es ist keine Randgruppe, die sich hier von der besten Seite zeigt.
Niemand von den vielen Musikanten, Tänzern und Sängern kämpft gegen Anderes, es gibt keine Stimmung gegen alle andere Musik, alle andere Kleidung und Lebensweise. Es gibt nur ein großes Maß an Freude am Eigenen. Weltgewandtheit braucht sich heute des Eigenen nicht zu entledigen.
Hat sich das schon im Kulturbetrieb herumgesprochen? Dann werden künftige Kulturdebatten anders verlaufen. Die lustvolle Beziehung zwischen unserer Traditionen und Neuem, leben lassen, anstatt zu konservieren, all das könnte längst ein Thema sein, denn es ist geradezu ein Glück dass wir so viel Kultur haben…
Stellungnahme zur wiederholten Trennung von Kultur und Volkskultur im Landesbetrieb und auf politischer Ebene, 2003; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.