Wie man seinen Platz finden könnte

Wenn ich über meine Berufslaufbahn nachdenke, dann fällt mir ein:

Eigentlich wäre ich auch gerne ein Rauchfangkehrer geworden, weil es da oben am Kamin einen doch recht ungewöhnlichen Blickwinkel gibt und mich die alten Dachböden immer schon interessiert haben.

Andererseits hätte es mich gereizt, ein Sägewerk zu betreiben, die Bretter und Pfosten zu formen und dabei den harzigen Duft zu genießen. Ja, und ich hätte mich auch im Schneiderhandwerk wohlgefühlt, weil es doch reizvoll ist, aus Kleidern Leute zu machen – wie es so schön heißt. Jemanden die zweite Haut anzupassen und Stich für Stich für deren Haltbarkeit zu sorgen, das wäre schon was.

Wohin soll ich mich wenden?

Andererseits aber wäre auch die Dachdeckerei etwas für mich gewesen, weil es doch ein schöner Gedanke ist, jemanden das Dach über den Kopf zu stülpen, für den Schutz ganzer Familien verantwortlich zu sein. Und da wäre noch der Bauernstand, der es ja nicht besonders leicht hat, in diesen Zeiten. Diese Herausforderung würde mich dennoch reizen, ebenso aber die Nähe zu Grund und Boden und die Unterordnung an das Werden und Verderben. Damit aber nicht genug. Manches Mal wünsche ich mir, mich rechtzeitig für das Tischlerhandwerk entschieden zu haben, wo das Wohnen gefertigt wird, wo es um Gediegenheit und Struktur der Maserung geht, um das handwerkliche Dienen von der Wiege bis zur Bahre. Und hie und da denke ich gerne auch an die vertane Chance, mich als Schlosser durch das Leben zu bringen. Mit viel Kraft und Feuer Praktisches zu schmieden und die kleinen Ornamente zu formen, die Haus und Hof zieren. Ganz abgesehen vom Gedanken, als Hafner prächtige Kachelöfen zu bauen, um den Winter über wohlige Wärme in die Stube zu zaubern, unvergleichliche Wärme mit dem heimeligen Knistereffekt.

Wenn das Wenn nicht wäre…

Ja, so mag bald einmal einer geträumt und „was wäre, wenn…“ angefügt haben, samt wehmütigem Seufzer, weil man falsch gelandet ist und heute schon wieder „schöpfen“ gehen muss. Der Beruf könnte aber auch zur Berufung werden, wenn das Schöne erkannt würde, das Nützliche. Etwas, was in Verbindung mit anderen steht, mit dem Wohlgefühl oder gar mit der Sicherheit meiner Mitmenschen. Einfach gesagt: Uns eine dienende Rolle im Gefüge gibt.

Da fällt mir ein: Ja, Pfarrer wäre mir auch gelegen gewesen, nicht deshalb, weil alle meiner Predigt lauschen müssen, sondern weil der Beistand in frohen und schmerzlichen Zeiten auch seine schöne Seite hat und weil es sich wahrscheinlich gut anfühlt – so als Botschafter zwischen Himmel und Erde. Und so könnte ich noch viele Berufe aufzählen, die ich nicht ergriffen habe, aber in denen ich für mich einen Platz finden könnte.

Zuguterletzt den Platz im Leben gefunden

Schließlich aber bin ich zuerst Feinmechaniker und Kaufmann geworden, später Kulturarbeiter und Lehrbeauftragter. Letztere Stationen haben mich erfüllt, weil die Begegnung mit so vielen Menschen und jungen Studierenden eine beglückende war. Nie und nimmer aber empfand ich es als Privileg, zu einer Schlüsselstelle in der Kulturarbeit aufgestiegen zu sein. Zurückblickend war es eher Demut, weil ich meinen Platz gefunden hatte – was ja so vielen Menschen leider ein Leben lang verwehrt bleibt. Das sagt ein verhinderte Schlosser, Tischler, Bauer, Bäcker und Rauchfangkehrer…


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 2017; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.