Jodeln, die Abgeschiedenheit im himmlischen Nichts…

Liebe Jodlerinnen und Jodler im Besitze des begehrten Zertifikats zur Ausübung des Jodelns – weltweit!

Kaum waren die Schlussworte verklungen, hattet Ihr die Flucht ins schnöde Wohnen im eigenen Zimmer-Küche-Kabinett ergriffen. Das war etwas abrupt und kann nur bedeuten: Ihr wolltet in den heimischen vier Wänden schnell die Jodelprobe wagen, die Stimme erheben, die Ho dares und Drei hul tiös kraftvoll über den Balkon stülpen, um die akustische Eignung zu überprüfen und eventuell einen Wechsel der Nachbarschaft zu provozieren.

Ich denke aber, dass Ihr schon unterwegs begonnen habt, der Zweistimmigkeit im angeschnallten Zustand zu huldigen. Ich kenn das und es ist schön, dabei die Scheinwerfer und die Hupe im Jodelrhythmus zu betätigen. Aber nun zu Euch:

Welch schöne Bereicherung hat dieser Tag erwirkt

…von der Zaghaftigkeit der Stimme bis zum Eskalieren – alleine durch den imaginären Schmerz, die Wut und die Angst. Schließlich aber ist es gelungen Euch die Töne zu entlocken, die jeden Winkel des Lebens berühren. Ja, selbst im Traum steigt einem der Holt joe hoe hoe hoe ho durch die geschmalzenen Gehörgänge, lässt einen die Bettdecke zerfledern und bewirkt später eine abgrundtiefe Abgeschiedenheit im himmlischen Nichts: Dem göttlichen Tiefschlaf. Des morgens aber steigt man entrückt aus dem Bettgestell und hustet die ersten Jodeltöne in den Kühlschrank, geniest den Jodelwiderhall am stillen Örtchen, dort wo der solchermaßen gelungene Jodelstart in den Alltag mit einem Wildwasserrauschen aus dem Spülkasten sein befreiendes Finale findet.

Lasst Euch fürderhin jeden Ton auf der Zunge zergehen

…schwelgt bitte im Entdecken der eigenen Stimme und lasst sie mit dem Partner/Partnerin gegenüber verschmelzen. Ja, es war schön, Euch kennen gelernt, Euch über Stunden von einem Ton zum anderen begleitet zu haben. Danke auch dafür, dass Ihr Euch bedingungslos der – alles andere als gefahrlosen – Didaktik anvertraut habt. Schon am späten Vormittag war aber augenscheinlich: Ihr habt mit Haut und Haar und Gedrüse ums Überleben gekämpft, mit der ganzen Kraft und Sehnsucht nach dem eigenen Ton, der schließlich mit Inbrunst hochgeschaukelt wurde.

Wunderbar, wie die Familie Haider uns verköstigt

…wie sich der strahlende Tag über Euch alle ergossen hat. Wir empfehlen diese Gaststätte gerne für Eure weiteren Unternehmungen – vielleicht auch verbunden mit einer Wanderung zur nahen Teichalm, dort wo der „Kleine Kirtagsjodler“ daheim ist.

Und merket Euch: Jodeln ist tönende Emotion, nicht Tongeplätscher und nicht zuallererst Musik. Jodlerklang ist akustische Bildgestaltung von Zuständen und Befindlichkeiten, die kraftvoll ausgestoßen nach außen dringen. Das Innenbild ist ein anderes: Da werden Kräfte frei, die Fäuste ballen, Krägen blähen und Lungenflügel füllen sich.

Es geht dabei an die Grenze

…der gerade noch anhaltbaren Schließmuskel. Dann bricht der emotionale Damm und gibt kraftvolle Töne frei. Der so produzierte Auswurf von Signalen, die eminent mit anderen Signalen auf Tuchfühlung gehen und sich im Wechselspiel zwischen Harmonie und Dissonanz aneinander reiben, ist das schönste, was je aus menschlichen Körperöffnungen ans Tageslicht gekommen ist. Noch dazu völlig geruchsfrei…


Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Jodelkurse und Musikwochen werden im Nachhinein nicht nur Liedertexte und Noten zugesandt, sondern auch ein brieflicher Gruß als Resümee „nach getaner Tat“; Hier ein Brief nach einem Jodelkurs auf der Nechnitz, 2018; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.