Mehr Gelassenheit bitte…

Während uns heute – zumal automatisiert und motorisiert – vieles leichter von der Hand geht, hat uns dennoch die Ungeduld fest im Griff und so hecheln wir durch unser fortschrittliches Dasein: Wir kritisieren zu lange Reden, endlose Konzertprogramme und haben längst unseren treffenden Kommentar zur Hand: „Då wird an da Årsch wassrig“. Wissenschaftlich lässt sich ein solcher Vorgang nicht erklären, aber alle wissen, dass an unserem Geduldsfaden geknabbert wird, dem ein Mehr an Stabilität nicht schaden würde.

Die Angst sitzt im Nacken

Die Veranstalter haben sich daher längst geeinigt auf zweimal eine Dreiviertelstunde mit etwa 20 Minuten Pause. Das hält der Mensch des 21. Jahrhunderts gerade noch aus und so bleibt noch genügend Zeit, um sich noch weiteren Highlight zuzuwenden. Es sitzt uns nämlich die Angst im Nacken, etwas zu versäumen.

Soviel zu unserer Ungeduld und diese erleben wir nicht nur im Konzert sondern auch, wenn wir an der Kasse zu langsam vorrücken, beim Arzt noch um eine Stunde vertröstet werden und wenn die Sonntagspredigt ausführlicher wird, als wir es bislang gewohnt waren.

Gelassenheit ist die Würze des Lebens

Wie gut aber, dass wir dann und wann den Ausgleich suchen, die Gelassenheit als Würze des Lebens. Wie schnell stellen wir dankbar die Schaufel zur Seite, wenn der Nachbar der Mitteilsamkeit verfällt. Wie schnell wandeln wir uns zu Trödlern und Sitzenbleibern, wenn wir im Ort Freunde treffen oder wenn wir den Tag vor einer Almhütte verklingen lassen.

Ja, da wird der Geduldsfaden zum handfesten Seil, die Zeit ist zum Strecken bereit wie der Topfenstrudelteig und nicht selten lehnen wir uns zurück, um das Sitzfleisch zu entlasten und um der Zeiteinteilung die Stirn zu bieten. Wir verbraten die Zeit und schnuppern genüsslich am Zirbenschnaps.

Das Banale wartet in den Niederungen

Längst schon könnten wir den Hut nehmen die Schritte heimwärts lenken und dem alten Trott entgegen eilen: Es wartet nämlich das Alltägliche, der Eintrag im Kalender, der Ölstand im Heizkeller, das Ablaufdatum auf der Konserve und die schmatzende Waschmaschine drunten im Keller.

Nein, wir frönen lieber dem Verweilen und dem endlosen Erzählen, Nachfragen und Erwidern. Es ist die verbale Wollust und diese hört sich so an:

Da Gabler Franz, jå, der is jetz gstorbn. Wår ein rechtschåffener Månn. Håt net sei Schwester, die Nani aufi gheirat zum Schattnerhof? Na, dås wår die Rosl, die Nani is jå früh gstorbn. Jå, in jungen Jahren, es wår hålt koa Hilf net. Da Altbauer håt a so a Pech ghabt. Aber seine zweite Frau is a Engl. Håt sie net beim Perwein ausg`holfn a Weil? Die wårn ja Gschwistererkinder. Ålles tüchtige Leut und erst der Neffe vom Schwåger, der håts weit bråcht mit sein Holzhåndel. Kriegt åber håt er koani – mein Gott, wer woaß, wås eahm daspårt bliebn is? Den Zeltner Albin håst åber net kennt? Der is jetzt mit da Manninger Herta z`såmm, woaßt eh, die kloanane Schwester von…

Es klingt nach einem Arbeitstreffen weiblicher und männlicher Standesbeamter. Unglaublich ist das reiche Wissen über familiäre Details bis in den letzten Graben und noch drei Generationen zurück. Und so verrinnen Stunden um Stunden. Es werden Schnurbärte gezwirbelt und Zeigefinger in die Luft gestoßen, zumal auch der Hinterkopf gekratzt und ein Nasentröpferl im rhythmischen Stakkato aufgezogen.

Das Dasein und das Dortsein

Das ist also das wahre Leben, jenes ohne Mahnung der vorrückenden Minutenzeiger. Eines, das von subtiler Gelassenheit getragen wird. Und solange wir aus dem Zeitenkorsett aussteigen, dehnt sich das wahrhaftige Lebensgefühl ins Endlose. Und dann hat uns der Abendschatten erreicht und wir wechseln hinüber zur noch sonnigen Hausbank, um dem Endlosen keinen Punkt setzen zu müssen. Ja, das Dasein ist umso bekömmlicher, wenn uns das Dortsein noch nicht berührt.


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 2018; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.