Die Herzensbildung

Ja, es fehlt mir schlicht und einfach an Kompetenz, um über Herzbeschwerden schreiben zu können. Und dennoch behaupte ich mit Bestimmtheit, dass die vielgepriesene Großherzigkeit keine Krankheit sondern ein Segen ist.

Sie gehört gefördert und ich würde Implantationen gutheißen, weil Großherzigkeit heutzutage schon selten vorkommt. Natürlich ist das alles nur eine Wortspielerei und ich setze da gerne noch eine drauf: Ich denke an die Herzlosen, von deren Sorte es allzu viele gibt und gegen die noch kein Kraut gewachsen ist.

Entscheidet das Herz?

Ohne dem Herzen seine Wichtigkeit abzusprechen, -bitte pumpe und klopfe schön regelmäßig weiter,- ist festzustellen: Wir haben das Herz für die Sehnsucht nach Romantik vereinnahmt, und deshalb behaupten wir ja, dass in vielen Situationen nicht der Kopf, sondern das Herz entscheidet. Das ist natürlich Unsinn und der setzt sich fort: Nie und nimmer ähnelt das geschnitzte Herz in der Rinde des Lindenbaumes und das Herz auf der Geburtstagstorte dem blutigen Muskelpaket in unserer Brust. Da gibt es herzlich wenig Ähnlichkeit mit dem so wichtigen Organ.

Bildungsreform ohne Herz?

Das alles aber nur so nebenbei, um die Kurve zur Herzensbildung zu kratzen, die in der jüngsten Bildungsreform keine Erwähnung findet. Sie ist nach wie vor in vielen Studiengängen nicht einmal als Nebenfach verankert, nicht in der Politikwissenschaft, nicht in der Wirtschaftswissenschaft und leider auch nicht im Studium der Musik. Sie fehlt permanent. Das macht mich stutzig, weil im heute globalen Gefüge alle Sinne auf Wachstumskurven und Maximierung gerichtet sind. Da müsste ja die Herzensbildung eine große Rolle spielen dürfen.

Mehr Herzensmenschen sind gewünscht

Und so wäre ich beinahe geneigt, einen Lehrstuhl für Herzensbildung einzufordern. Mit den Hauptfächern Zuneigung und Herzenswärme, mit verpflichteten Turnussen am lebenden Objekt und freien Übungen in Herzensangelegenheiten. Das müsste uns eigentlich etwas bringen, universitär durchdringen und nach ausgeklügeltem Studienplan könnten dann bestens ausgebildete Herzensmenschen diese Welt nach und nach verbessern. Das ist eine durchaus schöne Vorstellung – kann sie aber mein voller Ernst sein?

Was ist also Herzensbildung?

Nein, die Herzensbildung ist ein sich am Leben orientierender Prozess und nicht geeignet, ein Gegenstand zu werden, einer, der sich dem Korsett des rationalen Wissens unterwirft, der in Diagrammen visuell dargestellt und zum Studienabschluss einfach abgefragt werden kann. Niemals, denn:

Für die Herzensbildung ist noch immer das Elternhaus zuständig und das ist eine hohe Verantwortung. Die Eltern sind es nämlich, denen tagein und tagaus die Menschwerdung anvertraut ist und die selber an dieser Aufgabe permanent wachsen dürfen. Die Eltern haben darauf ein Monopol und die Vernachlässigung dieser Bildungsaufgabe hätte und hat, das wissen wir längst, fatale Folgen. Schon deshalb wäre es an der Zeit, eine hohe Auszeichnung vorzusehen: Den Family Bachelor of the Heart.


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 2016; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.