Der Lichtschalter im Dunkeln

Ob wir an der Riviera schnorcheln, am Bodensee segeln oder ein paar Tage auf der Alm verbringen, es ist immer dasselbe: Nach dem Leben aus dem Koffer oder dem Rucksack, kehren wir gerne wieder heim.

Der erste Blick aber gilt dem Garten. Wir sehen nach dem Kohlrabi und dem Blumenkohl. Das Hochbeet ist voll von aufgeschossenem Salat und wir erfreuen uns am Zuwachs der Äpfel und der Quitten. Gott sei Dank – sie haben nicht gelitten. Die kurze Umschau hat genügt, um den Speiseplan festzulegen, denn die Zucchini sind inzwischen protzig dick geworden.

Jedes Detail ist ein Stück Erinnerung und Heimat

Die Fensterbalken auf und frische Luft ins Gemäuer. Dann wird der Postkasten geleert und der Schutzschalter kontrolliert, denn die starken Gewitter könnten zugeschlagen haben. Und nun schieben wir den Rasenmäher über die fetten Halme. Es ist eine wahre Freude, die grüne Spur zu ziehen und wieder da zu sein…

Das ist also die Heimkehr in die vier Wände mitsamt den lieben Dingen, die zu unserem Leben gehören: Der Kredenz mit den Gläsern von Oma, das große Portrait vom Opa, welches ihn als jungen Rekruten zeigt, die Ehrenurkunde von der Feuerwehr und die bunte Obstschüssel von der Frauenbewegung – für langjährige Mitgliedschaft.

Der Hausherr hängt nun seinen Rock in die Garderobe aus Schmiedeeisen. Sie ist ein Meisterstück und vom alten Lenz gefertigt. Er war ein Tausendsassa und es war sein Geschenk zur Hauseröffnung im Jahre 1967. Und da sind noch die eingerahmten Stickereien von der Urgroßmutter an der Wand nebst dem Wandteller aus Kitzbühel und dem Puzzle vom Großglockner.

Der Lebensfaden und der Lichtschalter

Alles in allem ist das Heimkommen schön und erst recht, wenn sich das Haupt auf das gewohnte Kopfpolster legt. Wie sich die Gebeine an die Matratze schmiegen und der Duft der frischen Wäsche in die Nase zieht. Ja, der Heimat-Begriff wird in diesem Augenblick fühlbar und das ist gut so, denn er wurde zu lange missverstanden, als ein Zeichen der Enge, der Engstirnigkeit und des Stehenbleibens.

Auf der Suche nach Tiefe finde ich im Internet sehr treffende Zitate, die auf den Wert des Gewohnten hinweisen und auch dieses Wort „Gewohnheit“ macht das Wohnen zur Heimat in der Heimat. Die beiden Zitate lauten:

Heimat ist, wo ich meinen
Lebensfaden festgemacht habe*

Heimat ist da, wo ich den
Lichtschalter im Dunkeln finde**

Meine Grazer Großmutter verbrachte in den 60er Jahren immer einmal ein paar Tage bei uns im Ennstal, im Banne des mächtigen Grimmings und des reizvollen Landlebens. Es dauerte nicht lange, bis sie Heimweh hatte. Wonach aber? Nach der 2-Zimmer Wohnung im 3. Stock des Hauses Steyrergasse 3 mit Wasser und Klo am Gang. Ihr Kommentar war knapp und liebevoll: „Daheim ist daheim.“

Ihr werdet mir zustimmen, dass Heimatgefühle zum Schönsten gehören, zu dem die Menschheit fähig ist. Und deshalb ist es nicht zu fassen, dass mehrere Millionen Menschen ihre Heimat gerade verlieren. Sie tasten verzweifelt nach einem Lichtschalter.

* Quelle unbekannt, ** Alev Kurucay, Deutschland


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 10/ 2015; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.