Wie geht’s ?

Es ist eine liebe Gewohnheit geworden, an Stelle des Grüßens die Frage nach der Befindlichkeit voran zu stellen: „Wie geht ’s?“

Ob es sich nun um eine aufrichtige Anteilnahme handelt, oder ob es eine achtlos dahin geworfene Floskel ist, merkt man spätestens dann, wenn sich der Angesprochene freudig zuwendet und herzhaft zu erzählen beginnt. Oh – welch Ungemach für den Fragesteller, denn damit hat er gar nicht gerechnet. Wozu aber stellt er eine solche Frage, wenn es ihm an Geduld mangelt, die Antwort zu hören?

Es tut gut, sich im Gespräch auszubreiten

Was einem da alles entgeht, lässt sich so einteilen: Entweder es geht der Mund über – vor Glückseligkeit, weil die Familie gesund ist und die Kinder rechtschaffen ihrem Beruf nachgehen. Und es spielt auch ein wenig Stolz mit, weil Haus und Hof gut dastehen, denn schuldenfrei wurde das Anwesen der nächsten Generation übergeben.

Oder aber es wird die Gelegenheit beim Schopf gepackt, um endlich sein Herz aus zu schütten – wenn schon danach gefragt wird. Jetzt darf also auch gejammert werden über die leidigen Wehwehchen und das Medikament gegen den Ischiasschmerz, welches die Krankenkasse nicht übernimmt. Da ist auch Platz für das Kreuzleiden und den Bluthochdruck, die Verpachtung der Wiesen und Felder, weil es sich nimmer rechnet das Wirtschaften.

Kann das Glück abfärben?

Das Aufzählen, wie es einem geht ist ja nur die eine Seite des Ganzen. Eine andere aber ist das Zuhören können, denn da geht es um eine zeitraubende Zuwendung, die ihren Sinn macht: Letztlich geht es ja um die alltägliche Verteilung der Freuden, um ein Anteilnehmen am Leben der anderen und auch um die kleinen Einblicke, die einem selber Zuversicht geben können. Kann das Glück der Anderen auf einen abfärben? Ja, sage ich!

Den Kummer sollten wir gemeinsam schultern

Ganz anders ist das Anhören des Unglücksraben, des vom Schicksal zum Jammerer gestempelten Klägers. Und dennoch kommt damit eine ganz andere Dimension ins Spiel: Ist es nicht längst an der Zeit, die Bürde des Lebens auf mehrere Schultern zu verteilen, um davon mittragen zu können und mitgetragen zu werden? Nicht selten zieht ein solches Gespräch eine spürbare Erleichterung nach sich: Die vorher gebückte Haltung wird eine Zeit lang vom aufrechten Gang eingeholt.

Was lernen wir daraus? Wenn uns das „Wie geht`s“? über die Lippen rutscht, muss auch Zeit sein, ins Gespräch zu kommen oder auch unfreiwillig ins Gespräch genommen zu werden.

Und jetzt steht der Almsommer vor der Tür und die vielen schönen Stunden in der Abenddämmerung, wenn sich alles um die Bank neben der Almhütte scharrt, dort wo auch die alten Lieder ihren schönsten Platz einnehmen und die Geschichten zwischen Wahrheit und Erfindung schwanken. Das sind herzhafte Köstlichkeiten, die dem Zusammensein letztlich die Krone aufsetzen, weil das Zuhören uns vereint.

Um diesem Credo die geistige Tiefe abzugraben und um nicht in die Rolle des unerlaubten Predigers zu schlüpfen, sag ich Euch nun ganz ehrlich, wie ich antworten würde, wenn die Frage „Wie geht `s Dir? an mich gerichtet würde: Ich würde schlicht antworten „Nicht gut, nicht schlecht, eher umgekehrt…“


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 2015; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.