Die Liebesbrief-Erotik

Kurz und vorweg: Noch ist unklar, was die Erotik in einem Credo zu suchen hat, noch dazu im Pfarrblattl. Vielleicht ist es aber meine eigenwillige Sicht, die dem Liebesbrief den Hang zur aller feinsten Erotik zubilligt.Dabei kommt das Geschriebene dem aller nächsten Rendezvous zuvor, ohne diesem etwas vorweg zu nehmen. Darüber hinaus aber eröffnet der Liebesbrief eine andere Dimension der zarten Verständigung und bringt sie ins Spiel, die fein dosiert- empfindsamen Worte, die im Gegensatz zum Gesprochenen nicht flüchtig sind und der Vergessenheit anheimfallen. Nein, sie haben sogar dokumentarischen Wert.

Aus dem Herzklopfen werden Liebesschwüre

Dazu muss man ebenso wissen, dass einem zumal in echter Ergriffenheit die Worte fehlen können dürfen. Das geschriebene Wort kann daher ein idealer Rettungsanker sein. Also ruhig Blut und her mit dem Briefpapier, die Stirn abgestützt und schon läuft die Feder geschmeidig und übersetzt das Herzklopfen in Liebesschwüre. Ja, manches Mal ist der nächtens geschriebene Brief dem gestammelten Geflüster durchaus vorzuziehen.

Warum ist der Liebesbrief aus der Mode gekommen?

Mag sein, dass es lange her ist bei Ihnen, als sie den letzten Liebesbrief geschrieben oder gar erhalten haben? Dann gehört dieser dem Paradiese der Erinnerungen an und das ist weiter nicht schlimm. Schlimmer ist es, dass der Liebesbrief aus der Mode gekommen ist und im Beziehungsgeflecht der heutigen Liebenden kaum mehr eine Rolle spielt. Das ist nun tatsächlich ein Verlust und der Ersatz ist schon gefunden: Man lässt gerne Blumen, Ringe, Schokolade, Klunker und vorgefertigte Grußkarten sprechen. Im Mailverkehr bedient man sich der Smileys oder heftet der elektronischen Post ein herzhaftes Bild bei: Ein Paar junge Affen, Kätzchen oder gar Ferkel, die sich partnerschaftlich liebkosen…

Na ja, nun habe ich mich lustig gemacht über heutige Gepflogenheiten. Es geschah aber nicht in der Absicht, jemanden wegen seiner Liebesbrief-Abstinenz anzuklagen.

Empfohlen: In schweren Fällen von Verliebtheit

Und nun setze ich mein Plädoyer für den guten alten Liebesbrief unbeirrt fort, denn er ist angetan, die Gefühlswelt beider Seiten zu berühren, er hat zumal doppelte Wirksamkeit: Sich sein Verliebtsein von der Seele zu schreiben, kann in schweren Fällen Erleichterung verschaffen. Und ebenso ist es ein Glück, wenn uns die geschriebene Zuneigung eines vom Amor getroffenen erreicht.

Wie gerne erinnere ich mich des Gefühls, alles gesagt, die Papierbögen bis in die letzte Ecke gefüllt, mit der heißen Ware den Weg zur Post genommen zu haben. Und schwupp, verschwand die ganze verbale Gefühlswelt im gelben Kasten, um den Weg zu ihr zu nehmen.

Und nun überlasse ich Ihnen gerne die Entscheidung, meine Liebe zum Liebesbrief als Schwärmerei abzutun, oder aber zu erkennen, dass mit ihm ein Stück Kultur gestorben ist. Ein Stück der Verschriftlichung von zarten Gefühlen, die sogar das liebestrunkene Seufzen in Worte zu übersetzen vermochte.


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 2015; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.