Die Sehnsucht ist die schönste aller Süchte

Die Sucht hat einen schlechten Ruf und wir sind mit ihr zu Recht auf Kriegsfuß.

Sie freundet sich zunächst langsam mit uns an, bestimmt dann selbstherrlich unser Handeln und wird letztendlich zu unserem Schicksal. Gott Lob, wer die Zeichen erkennt, Hilfe in Anspruch nimmt und sich rechtzeitig in Sicherheit bringen kann.

Die Gier ist nicht minder gefährlich

Die Gier aber ist ein entfernter Verwandter der Sucht und ist nicht minder gefährlich, denn sie ist ebenso unerbittlich. Dazu gehören die Gier nach Macht und Einfluss sowie die Gier nach Hab und Gut und dies meist ohne Rücksicht auf Verluste anderer.

Und: Es gibt noch die kleine und niedliche Form der Gier, mit der wir uns tagtäglich abmühen. Dann nämlich, wenn wir über die Schnur hauen und dem bereits gesättigten Körper noch eine Portion einverleiben, der Sammlung von bunten Handtaschen und Schuhen noch weitere hinzufügen und wenn wir uns schlussendlich die größte Schaumrolle bestellen, obwohl wir die Zeichen der vorhersehbaren Übelkeit längst erkennen.

Im grünen Bereich: Die liebe kleine Haltlosigkeit

Diese Form der kleinen Haltlosigkeit sollten wir uns leisten, so meine ich. Sie ist noch keine Sucht und noch keine Gier. Es sind ausufernde Gelüste und sie zählen zum Kollateralschaden des Lebens. Die Strafe folgt auf dem Fuß, mit dem überzogenen Haushaltsbudget ebenso wie mit den anwachsenden Problemzonen. Und trotzdem ist das alles im Grünen Bereich und gut so, denn wir surfen ein Leben lang zwischen der Vernunft und der Unvernunft, zwischen der Enthaltsamkeit und der Völlerei und wissen längst von unseren kleinen Schwächen. Der Köstlichkeit solcher Augenblicke sollten wir dennoch nicht entsagen, denn es sind diese kleinen Lustbarkeiten, die das pure Leben ausmachen.

Die schönste aller Süchte ist aber die Sehnsucht

…denn sie führt zu keiner Gewichtzunahme, zu keinem verdorbenen Magen, zu keiner leeren Geldbörse und hat auch kein schlechtes Gewissen zur Folge. Wir sollten uns für diese Sucht entscheiden, sie pflegen und stets neu aktivieren. Ja, mit ruhigem Gewissen Sehnsucht haben – nach den schönen Dingen, nach besseren Zeiten, nach Hab und Gut und nach all den hehren Zielen. Und wir sollten uns das Ersehnte hautnah vorstellen, es den Träumen und Tagträumen zufügen.

Die Sehnsucht ist nämlich eine, die schon ohne Erfüllung den höchsten Wert hat, weil sie uns mittels Vorstellungskraft im Voraus eine Freude bereitet, die von der Wirklichkeit gar nicht übertroffen werden kann.


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 3/ 2014
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