Ein Wirtshaus mit der Patina des Alten und dem Charme vom Heute

Der Steegwirt lässt es ordentlich brutzeln

Das muss man sich einfach geben: Unter den Kastanien sitzen und bei leichter Brise die Frische der nahen Traun genießen. Im Nacken eine Spur von Sonne die sich ihrem Schattenspiel hingibt, im Mundwinkel die Bügel der Sonnenbrille kauend. Und nun weiß man es ganz genau: Das ist ein Kraftplatz sondergleichen. Seit 1571 steht dieses Wirtshaus an dieser Schlüsselstelle, denn unmittelbar an der Seeklause von Steeg, wurde früher das Wasser des Hallstätter Sees aufgestaut und wohl dosiert wieder freigegeben. So konnten die gefürchteten Stromschnellen hinab bis nach Ebensee bewältigt werden. Der ganze Aufwand wurde betrieben, um die Salzschiffer mitsamt ihrer kostbaren Fracht auf der künstlich erzeugten Flutwelle sicher hinweg zu schippern.

Übereinstimmende Nachhaltigkeit

Selbst einem Banausen, den ja die bedeutungsschwere Historie gerne kalt lässt, fällt es schwer, sich der besonderen Stimmung zu entziehen, die einen sogleich in den Bann schlägt. Manches Mal bedarf es dazu des kopfigen Brückenschlags im Kalender: Während hier die Grundmauern des Wirtshauses in die Höhe wuchsen, um forthin den Trumpf der Gastlichkeit auszuspielen, schlägt just im selben Jahr 1571 die Geburtsstunde des deutschen Komponisten Michael Praetorius, dessen Werk eines der wahrhaftigen Nachhaltigkeit ist. Mehr noch: Welches bis heute ein Sinnbild für den Ohrenschmaus darstellt.  

Wer aber die Augen schließt und sich ausschließlich der Geräuschkulisse hingibt, begegnet einer seltenen akustischen Synthese. Zum Geplätscher der nahen Traun, die über die Klause und den Polster strömt, gesellt sich das unentwegte Schnattern der Gänse. Ja, das blütenweiße Geschwader gehört längst zum vertrauten Bild rund um den Steegwirt. Ihr Auftritt ist Präsentation einer ausgefeilten und bewundernswerten Ästhetik. Da lohnt es sich immer wieder, den Zaungast zu spielen, wenn die stolzen Wasservögel in gewohnter Formation über die Wiese ziehen.

 

Die Lust nach einer anderen Perspektive führt mich zum nahen Ostuferweg. Es ist nur eine kleine Wanderung Richtung Obertraun und schon werden die Zusammenhänge sichtbar: Der Steegwirt als Wachturm zum Hallstättersee und als prägnanter Markierungspunkt auf dem Weg zum Weltkulturerbe Hallstatt. 

Nach einem Rundgang wieder eingekehrt, fasziniert die augenscheinliche und greifbare Gastlichkeit. Die ist ja bekanntlich nicht an der Speisekarte zu erkennen, denn Gastlichkeit ist ein atmosphärischer Begriff. Da spielt einerseits die liebevoll-persönliche Zuwendung, ebenso aber das Augenmerk an den ganz kleinen Details eine Rolle. Eine vom Nebentisch erlauschte Schwärmerei macht mir die Entscheidung leicht: Die Eierspeis soll hier legendär sein. Damit schließt sich der Kreis, denn das zuvor erlebte Gänseleben hat unmittelbar mit der g`schmackigen Eierspeis zu tun: Die Gänse sind die verlässlichen Lieferanten. 

Beinahe 4 ½ Jahrhunderte der Gastlichkeit dienend, ist beim Steegwirt nichts zur Routine geworden. Ein Haus mit Prinzipien halt, auf stabilen Fundamenten begründet und seinem Auftrag im wechselhaften Zeitenfluss verpflichtet. Dazu bedarf es seit jeher auch der großen Welt der Kulinarik, die mit der Kraft der Inspiration angereichert, zum Besonderen mutiert. Der Juniorchef Fritz Grampelhuber hat ja bei den Brüdern Obauer gelernt und verstand es, sich in den besten Küchen der Schweiz umzusehen. So ausgestattet und erfahren wechselte er wieder an den heimischen Holzofen, einem Ungetüm, welches seit 180 Jahren tagtäglich beheizt wird und dem Gesamtbild der Historie die Krone aufsetzt.

Beim Wirtn – das ist eine hohe Zuordnung

Ja, denn der Wirt ist letztlich der Zeremonienmeister, der unser aller Sehnsüchte kennt und die Fäden zieht. Die gute Stube ist nicht die nostalgische Kulisse sondern für die Stunden des Aufenthalts das eigentliche Paradies. Seine Küche ist ein Ort der Leidenschaft und sein Keller eine Kulturstätte. Er ist der Lebensnerv sinnlicher Gelüste. Im Umgang mit seinen Gästen weiß der Wirt zwischen Mitteilsamkeit und Verschwiegenheit zu dosieren. Er bleibt seinen Stammkunden Freund und ist mit seinen neuen Gästen stets auf dem Weg zur Freundschaft. Diese hohen Werte sind schließlich ansteckend und am hoch motivierten Personal wieder zu erkennen. Unter solchen Umständen ist es gleich besser, heute beim Wirtn zu bleiben…

Einzigartig: Das Bratl mit Kruspel

Und jetzt ist es Zeit, zuzugreifen und dem Reflex nachzugeben. Schon die ganze Zeit steigt mir der Duft in die Nase und er soll halten, was er verspricht. Es ist nämlich kein Wunder, dass der Steegwirt zur Pilgerstätte für empfindsame Gaumen geworden ist. Es ist die Hingabe zu den exquisiten Gewürzen ebenso wie die hohe Aufmerksamkeit, die hier der Fleischauswahl und den Zutaten gewidmet wird, die den Steegwirt aus anderen Angeboten herausragen lassen. Zumal aber gewinnt der Koch weil er es wagt, andere Akkorde anzuschlagen: Er begibt sich gerne auf die künstlerisch-kreative Seite und liefert dann mit seinem „Orchester in Weiß“ zungenprickelnde Uraufführungen. 

Aber genug der wortreichen Glasur und auf den Teller gelegt: Das Bratl mit Kruspel sei zu allererst empfohlen, ebenso der Gamsschinken, der zwei Monate im alten Salzstollen reift, um uns später noch davon erzählen zu lassen. Diese beiden kulinarischen Lockvögel sollten genügen und sind nur exemplarisch genannt. 

Der Wunsch aber dem Steegwirt einen Besuch abzustatten, legt sich fest wie es auch die Schwartelkruste tut, wenn sie nicht alle paar Minuten mit der Spachtel von der Pfanne gelöst wird. Wer also das ultimative Paket haben will, nämlich ein g`standenes Wirtshaus vom alten Schlag und zugleich einen Gourmet-Pavillon, der ist beim Steegwirt richtig, der isst beim Steegwirt unvergleichlich gut.


Gwandhaus-Journal, Nr. 17/ 2013; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.