Kann Chaos schön sein?

„Ordnung braucht nur der Dumme, das Genie beherrscht das Chaos.“ Ja, genau diese Worte fand ich an die Tür gekritzelt, bevor ich mich mit aller Mühe durch das Chaos des Jugendzimmers meiner Tochter kämpfte.

Wie geht es Ihnen mit dem Bild von Kleidung, CD-Hüllen, Heften, Büchern, Strümpfen, Verpackungsmaterial und einem am Boden zerdrückten Lippenstift?

Die Eltern sind meist entsetzt

…ob solchermaßen schief gelaufener Erziehung. „Wie kannst Du so hausen, lernen und schlafen?“ fragt Mütterchen und an ihren Falten zeigt sich Ratlosigkeit. Die Väterchen meinen lapidar, dass die verschlossene Tür eine Lösung wäre. Zudem lässt sie die Anschmiegsamkeit des Töchterchens über das Chaos hinwegsehen.

Dann tritt er in den Garten und ist stolz auf die vielen bunten Pflastersteine, auf die ausgerotteten Unkräuter und das solchermaßen entstandene private Belvedere. Der rot lackierte Rasenmäher wartet auf seinen vernichtenden Einsatz. Das linear niedergerungene lästige Wachstum wird um üppige zwei Millimeter gekappt. Der Motor qualmt und alles sieht endlich wie im Katalog aus.

Dir Faszination der glänzenden Oberflächen

Mutters Küche wiederum mutet an, als ob sie gerade erst vom Möbelhaus geliefert wurde. Sie wischt und wischt, denn das schönste an der Küche sind die glänzenden Oberflächen, die nagelneuen Kanten und die geschlossenen Laden. Einzig das Brummen der Spülmaschine erinnert an die Funktion der Küche, an das Schmackhafte an ihr.

Wie passt da unsere Begeisterung hinzu, die wir empfinden, wenn wir unsere Almen heimsuchen und unter und über der Waldgrenze ein Bild in uns einsaugen, eines mit sturmzersausten Bäumen, mit umher liegenden Felsen, Latschenfeldern, hingestreuten Almblumen und da und dort einem glasklaren Gerinne? Alles prachtvoll und doch durcheinander, oder alles durcheinander und deshalb prachtvoll?

Das Glück in der unberechenbaren Natur

Mein Gott, wie wir selig sind, aus dem wohlerzogenen Garten und der nieder polierten Küche heraus zu kommen, diesen Blick von Unwegsamkeit genießen zu dürfen, die Schotterfelder und Lawinenkegel. Das Chaos einer unberechenbaren Naturlandschaft, die noch etwas wilder agiert als es die Töchter jemals vermögen. Wir machen schnell ein Foto davon, steigen dabei einen Schritt zurück in die frische Kuhflade – und sind glücklich dabei.


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 3/2013; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.