Das Jodeln als Elixier

Das Wort „Jodeln“ entlockt uns im Allgemeinen zuerst ein Lächeln.

Kann es sein, dass wir es in die Ecke der Klischees abschieben, in der auch das Edelweiß wohnt und uns als eine willkommene Delikatesse und Metapher für eine Urwüchsigkeit dient, der wir insgeheim nachweinen? Steckt es aber selbst in der Hand – das Edelweiß – und in der Gurgel – das Jodeln, dann haben wir den Versatzstücken wieder Leben eingehaucht. Das Resümee beim Jodelversuch: Es ist die Faszination schlechthin, deckt stimmliche Mängel zuerst einmal auf und später den Bedarf an musikalischem Lustgefühl ab.

Im Blut und in der Wiege nichts nachzuweisen

Der Hindernisse, es einfach zu versuchen, gibt es mehrere. An vorderster Stelle steht aber die Meinung, das Jodeln müsse man im Blut haben. Prof. Horst Seidler, ein bedeutender Humanbiologe hat dazu simpel erklärt: „Ich hab` im Blut keine Musik gefunden“. Damit entlarvt er eine unserer gängigen Ausreden, wenn es um die Musikalität geht, die wir ja alle in die Wiege gelegt bekommen haben. Auch wenn dort später nichts als leere Windeln anzufinden sind: Es ist zumindest richtig, dass wir sie dort oft unbeachtet liegen gelassen haben – die Musik-, denn es gibt auf dem Weg zum Erwachsenwerden ebenso wichtige Dinge, wie das Löffeln von Grießbrei und das aufrechte Gehen. Trotzdem: Es ist schade um alle Versäumnisse, was das Singen betrifft.

Die Beiträge dieser Ausgabe

Die Vorarlbergerin Evelyn Fink stellt den wissenschaftlichen Teil dieser Ausgabe sicher. Ihr profunder Beitrag über den Jodler als Typus mag für den Praktiker abstrakt verschriftlicht klingen. Dass sie selbst die emotionale Seite des Jodelns praktiziert, macht sie erst zur anerkannten Expertin. Einer der mehr jodelt als schreibt, ist der Sänger Norbert Hauer. Seine satirische Jodlersilben-Sezierübung ist allerdings, das werden die aufmerksame Leserin und der aufmerksame Leser bemerken, mehr auf der Seite des tiefen Sinns, als auf der des Nonsens angelegt. Hans Koller betrachtet das Thema aus der Sicht des Blasmusikspezialisten, der die heutige Blasorchester-Literatur kennt und das Weisen- und Jodlerblasen als das freie Singen mit dem Instrument schätzt.

Dem Bravourjodler als eine kunstvolle Überzeichnung des Jodelns ist dann der Beitrag des Mürztalers Robert Roßkogler gewidmet. Eine Stellungnahme zur neuen Jodler-Lern-CD kommt von Hannes Martschin. Er meint, dass dieses technische Hilfsmittel nicht die klingende Wirklichkeit ist, aber ein Weg dorthin sein kann. Die Frage „Kann man Jodeln im Kurs erlernen“? beantwortet Ursula Werluschnig aus profundem Munde, denn sie schaffte solchermaßen den Einstieg in die Welt des Jodelns. Schließlich führt uns Ulrike Zöller um den Erdenball und räumt auf mit der ewigen Besitzergreifung, denn das Jodeln ist keinesfalls dem Älpler vorbehalten …

Die Geburtsstunde der Harmonie

Dem Jodeln das Image des musikalischen Blödelns und den verdienstvollen Jodlergruppen andererseits auch den Nimbus des Unerreichbaren zu nehmen, ist eine meiner Aufgaben. Dieses reizvolle Spiel mit den Tönen zugleich aber allen zuzumuten, ist ein Hinweis auf die musikalische Eigenverantwortung jedes Einzelnen.

Das Jodeln entzaubern und die Menschen wieder im Gebrauch der eigenen Stimme zu verzaubern, das geht so: Zuerst verschmilzt die Melodie mit den einzelnen Silben und es bildet sich eine markant führende Hauptstimme heraus. Es entsteht eine wohltuende Stimmsicherheit, wobei sich bislang verborgene Emotionen kraftvoll entfalten können. Mit dem Einsetzen der Gegenstimme aber beginnt ein klanglich abgestimmtes vielfältiges Springen von Tonstufe zu Tonstufe. Daraus entstehen eine wechselhafte Überschneidung der Stimmen und eine mitunter kunstvoll erzeugte Verwirrung, die wir als Harmonie empfinden. Ist das nun klar?


Der Vierzeiler, Leitartikel Zum Titelbild und Thema, 2007; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.