Wirtshausgesänge

An den Liedanfängen lässt sich die Chronologie eines melodiösen Wirtshausbesuches bereits ablesen: Abgesehen von den funktionellen Trinkliedern Ein Prost mit harmonischem Klange… und Ein Prosit der Gemüatlichkeit…, gibt es auf dem Weg dorthin bereits Sehnsüchtiges Ins Wirtshaus da gehn ma so gern.. zu hören.

Kaum aber haben wir das ehrenwerte Haus betreten, handeln die Lieder von der dringenden Bestellung Oh schafft mir Wein… und der raschen Nachbestellung Trink ma no a Flascherl…. Für den allmählichen Stimmungsaufbau ist wohl jedes Lied geeignet und dabei wird gerne tief in das Gedächtnis gegriffen: Freut euch des Lebens…, Ein Schiff wird kommen…, Trink, trink, Brüderlein trink…, Es gibt Millionen von Sternen… bis zu plumpen Annäherungen Mädel ruck, ruck, ruck an meine grüne Seite…. Die Wirtsleute und die Kellnerin werden dabei selten direkt angesprochen.

Nur hier lohnt sich das Überleben…

Wenn, dann sind die Texte voll des Lobes, als ob es sich nur an dieser hehren Stätte überleben ließe. Etwas ausführlicher wird der Lebenswandel der Wirtin im „Wirtshaus an der Lahn“ beschrieben. Allerdings: Die hocherotischen Texte bleiben zu vorgerückter Stunde den Männerrunden vorbehalten. Zu eben solcher Stunde gibt der Wirt Im tiefen Keller… noch eine Runde aus, hat aber nicht mit den wilden Protesten gerechnet, die mit Bier her, oder i fåll um… beinahe wie eine Erpressung anmuten.

Die Wahnsinnigen wollen in den Himmel

Der geplagte Gastgeber muss sich dann noch Anspielungen Wer soll das bezahlen? gefallen lassen und schließlich wird sein Edelbrand Schnaps das war sein letztes Wort… als tödliches Gesöff hingestellt. Das reicht! Als er im Morgengrauen die Lichter löscht, hört er die Wahnsinnigen glücklich Wir kommen alle in den Himmel durch die Gasse brüllen.

Selten kommen aber die Kellnerin und der Wirt so schlecht weg, wie im folgenden Lied, dessen Text ich nur auszugsweise wiedergebe:

Wenn mancher Mensch oft gerne wüsst…

Wenn mancher Mensch oft gerne wüsst, zum Beispiel was a Fiaker/ Kellnerin/Bauer/Gastwirt ist und bei mir a Mann wird fragen, wird ich`s ihm ganz ruhig sagen:

Ein Fiaker ist ein auf den Bock hinauf hüpfender, Schnurrbart aufzupfender, Ross und Wagen putzender, oft herum trutzender, langsam recht fahrender, Geld oft nicht sparender, windiger, winziger Mann, der nichts plauscht.

Eine Kellnerin ist ein verführendes, Gäste anschmierendes, Liebhaber habendes, oft nicht verschnappendes, Schönheit sein wollendes, Bier und Wein holendes, reizendes spreizendes Schlangengezücht.

Ein Bauer ist ein Mistgabel führender, im Dreck herumstierender, Griasknödel zählender, im Gelde oft fehlender, Kirchen herum laufender, nicht wenig saufender, g`wamperter, g`samberter Riahmülihecht.

Ein Gastwirt ist ein Geschichten erzählender, Speisen empfehlender, Gäste nachguckender, Zorn oft verschluckender, seine Frau kränkender, oft schlecht einschenkender, schmutziger, trutziger Rauschfabrikant.

Die Familie Daum am Stammtisch beim Höchwirt

Das inzwischen verstorbene Ehepaar Maria und Hansl Daum haben mir dieses Lied im Jahre 1987 beim Höchwirt in Graz-Weinitzen vorgesungen. Die Familie Daum hat es von Anton Streminger – der Malermeister aus Andritz verstarb im Jahre 1972 – gelernt. Streminger spielte Zither und Gitarre und wurde im ersten Weltkrieg beim Zitherspiel angeschossen, dabei wurde das Instrument beschädigt und eine Hand schwer verletzt. Der Anton hat aber Zeit seines Lebens weiter gespielt und dazu gesungen. Beim Zitherspiel benützte er einen Rex-Gummi, um der verletzten Hand Stabilität zu geben.

So hat es mir der Hansl Daum erzählt

…und gleich wieder ein Lied angestimmt. Die Familie Daum waren richtige Wirtshausgeher, die unter der Devise „Leben und leben lassen“ auch gerne eine Zeche gemacht haben. Gottfried Feiertag – der Höchwirt – weiß zu erzählen, dass die beiden oft stundenlang singend in der Gaststube verblieben sind. Zu den Lieblingsliedern zählten Das braune Bier is guat…, Es waren einmal drei Gesellen…, Als Freunde lernten wir uns kennen… Die unverwechselbare Singmanier der beiden und die reiche Gestik des Hansl Daum sind mir in bester Erinnerung geblieben. Nachzulesen im und nachzusingen: Steirischen Liederblatt 15. Jahrgang, Blatt 1, 1996


Der Vierzeiler, Liedergeschichte / 2006; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.