Die Harmonika – Erfindergeist und Spielerlust

Ohne mich in tagespolitische Themen zu verstricken: Zuletzt gab es hier und auch europa- und weltweit eine gewisse Verunsicherung, ob die da oben wohl noch zum Wohle derer da unten handeln. Unverständlicher Weise haben wir nämlich große Sehnsucht, möglichst vieles für uns verordnen und gesetzlich regeln zu lassen. Die wesentlichen Dinge des Lebens aber sind nicht staats- sondern stets haus- und kopfgemacht. Fazit: Wir können uns auf uns durchaus verlassen. Beispiel gefällig?

Rucksack und Harmonika

Nein, sie stand in keinem Regierungsprogramm, es gab keinen kulturpolitischen Auftrag, keine musikerzieherische Maßnahme, auch keine Expertenkommission hat sich für die Harmonika als Volksinstrument entschieden. Nein, sie ist sozusagen ein Stück Evolutionsgeschichte, denn sie entstand mit den Menschen wie deren Rucksack – als Proviantbehälter für das Lebensmittel Musik. Eine geradezu unglaubliche Entwicklungsgeschichte säumt den Erfolgsweg, ein Gemisch aus Unternehmer- und Erfindergeist, wobei menschliche Verspieltheit zu köstlichen Nebenprodukten führte.

Ein Harmonika – Vierzeiler

Promonica West – ein stimmiges Festival in der Weststeiermark-, unser Harmonikazentrum in Graz sowie die Wertarbeit unserer Harmonikaerzeuger sind also Anlass für diese besondere Ausgabe unserer Zeitschrift „Der Vierzeiler. Wir skizzieren – von Wien über Slowenien, Italien und Deutschland – den verzweigten Weg einer imposanten Industriegeschichte, vermitteln zwischen Pop und Volksmusik und servieren einen Forschungsbericht zum unvergleichlichen Klang der Steirischen. Die köstlichen Sprachnuancen rund um die Harmonika sind ebenso ein Thema wie die Werbebotschaft, die mit ihrem Konterfei verbunden ist. Wer seinen Humor noch nicht verloren hat, wird uns den Beitrag über die Wettbewerbserfolge im Harmonika- Zwölffingersystem sicher nicht übel nehmen.

Der Geist des Spielzeuges

Wer die Entwicklungsgeschichte gelesen hat, erkennt, dass der Geist des Spielzeuges nach wie vor in der Harmonika steckt. Es scheint auch so, als ob das Beziehungsgeflecht zwischen dem Musiker und seinem Instrument ein durchaus Körperliches ist. Die Flöte wird vom Mund geflötet, mit ein paar Fingern bedient, das Klavier mit den Händen und Füßen bearbeitet, während man die Harmonika an den Körper presst, ihre feinen Vibrationen am Brustbein spürt und so ein Teil vom Instrument wird. So kommen wir auch dem Geheimnis Musik näher: Instrument und Mensch verschmelzen zu einer Einheit.

Musik zum Umschnallen

Die Harmonikageschichte ist also, was Entwicklung und Gestaltung betrifft, eine des Ideenreichtums und der Liebe zum Detail. Weltweit entstehen die Töne unter Druck, die im Augenblick des Erklingens allen Druck des Alltags von uns zu nehmen im Stande sind. Die Harmonika ist somit eine durchaus erstaunliche Innovation in der Musikgeschichte.

Das Kasten – und Riemen – Prinzip erweist sich als grandioses System: Es ermöglicht uns, Musik einfach umzuschnallen, mit ihr zu sein. Und es ist geradezu unglaublich, dass die Menschheit Jahrhunderte zuvor ohne Harmonika ausgekommen ist.


Der Vierzeiler, Leitartikel Zum Titelbild und Thema, 25.Jahrgang, Nr. 2/ 2005; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.