Gedanken zur Volkskulturarbeit

Über meine Initiative fand am 18.10.2005 ein Gespräch mit Freunden und Kooperationspartnern aus den Organisationen Steirisches Volksliedwerk, Verein der Freunde des Volkskundemuseums, Bund Steirischer Heimatdichter, MUSIS, ARGE Volkstanz, Tanz mit Franz, dem Leiter des österreichischen Freilichtmuseums und Bund Steirischer Heimatdichter statt.

Die Zielsetzung des Gespräches war die aktuelle Situation für volkskulturelle Tätigkeiten zu diskutieren und daraus gemeinsame Strategien abzuleiten. Da es ein sehr konstruktiver Gedankenaustausch war, der keinerlei parteipolitische Aspekte verfolgte, brachten wir unsere Überlegungen dem neuen für Volkskultur zuständigen politisch Verantwortlichen, Herrn LH – Stellvertreter Hermann Schützenhöfer zur Kenntnis und hofften auf eine Beachtung unserer Vorschläge.

Grundsätzliche Überlegungen

Die neuerliche Herauslösung bzw. Teilung der Kulturagenden in Ressort für Volkskultur und für Kultur ist parteipolitisch verständlich aber inhaltlich nicht mehr schlüssig; Mit „Volkskultur“ kann man ein sympathisches Ressort verwalten und auch emotional punkten.

Es hat sich längst ein harmonisches Zusammenspiel aller Strömungen in der Bevölkerung breit gemacht. Kulturbedürfnisse werden heute ungehemmt aus dem Bereich der Hochkunst, der Unterhaltungsbranche, der Volkskunst abgedeckt, neue und alte Bräuche werden spielend zum Lebensinhalt. Z. B. spielen Volkskulturverbände der Blasmusik oder Chöre zu einem Großteil auch Kunstmusik und sind nur in Teilbereichen im Brauchtum verankert. Das ist eine gute Entwicklung.

Die langjährigen Bemühungen um neue Zugänge zur Tradition, um die schöne Verbindung des Alten mit dem Neuen, das Aufbereiten einer Spielwiese auf der die Sehnsucht nach Tradition mit der Sehnsucht nach Neuem verständlich und erlebbar gemacht wird, wird durch die Herauslösung der Volkskultur von der Politik nicht berücksichtigt.

Die Optik der neuerlichen Kulturteilung in zwei verschiedene Ressorts widerspricht dieser Entwicklung. Auf Grund der Ressortzuteilung könnte bei vielen Bürgern das Bild entstehen: “Kultur“ ist demnach links und fortschrittlich, „Volkskultur“ rechts und von gestern“! Denn viele Bürger haben den Wert der „Volkskulturarbeit“ im Sinne einer regionalen Identitätsbewahrung und immer wieder neuen Findung nicht erkannt und betrachten die Volkskultur noch immer als „altmodisch und verstaubt“.

Dieser Tatsache muss sich der für Volkskultur zuständige Politiker bewusst sein, um nunmehr – nach vollendeten Tatsachen – die Volkskultur aus diesem „Schachterl“ zu holen.

Es müssen notwendige Entscheidungen getroffen werden, die der Volkskultur freie Entfaltung in eigenen Lebensgesetzen ermöglicht.

Um diese derzeitige politische Realität und die allgemeine Wahrnehmung in eine positive Richtung ändern zu können, ist es absolut notwendig, dass alle an Kultur interessierten Kräfte an der Kommunikation der „Volkskultur“ nach außen (Politik, Medien, Publikum) arbeiten und kooperieren.

In der Bevölkerung und Öffentlichkeit ist andererseits eine besonders hohe Akzeptanz für alle diese Aktivitäten gegeben, obwohl bislang nur 8% des Kulturbudgets diesem Bereich der Kulturarbeit zugefallen sind. Überdurchschnittlich viel Energie wird für diese traditionelle Kulturarbeit ehrenamtlich aufgewendet. Ein hoher Anteil dieser Kultur wird emotional getragen, selber gebraucht und weitergegeben. Das ist eine „Kulturäußerung mit eigenen Lebensgesetzen“, die nur in geringem Ausmaß den Marketingstrategien heutiger Kulturprogrammatik folgt.

Die Steiermark sollte versuchen, wieder federführend mit diesem Verständnis von Volkskultur in Österreich zu werden.

Jede Erhöhung des Kulturbudgets und Bündelung der Kräfte könnte den Erfolg maximieren und würde eine „steirische Identität“ in einer Zeit der Globalisierung fördern.

Neue Zielsetzungen und Verbesserungen

Der bislang zuständige Politiker für Volkskultur – dem erstmals dieser Teilbereich in der Landesregierung zugefallen war – hat durch seine Aktivitäten für den neuen politischen Verantwortlichen „die Latte hochgelegt“.

Dieses sein Engagement war durch dessen ganz persönliche Zuwendung und Beschäftigung mit den Anliegen der Akteure und andererseits durch Schwerpunktsetzungen gegeben. Teilbereiche davon aber – nämlich die augenscheinlich erfolgreichen und plakativen – werden grundsätzlich begrüßt, laufen den vorher erwähnten Lebensgesetzen aber zunehmend zuwider und bedürfen neuer Zielsetzungen und Verbesserungen.

Dazu zählen die Großveranstaltung „Aufsteirern“, der Volkskulturkalender und das Volkskultur-Jahrbuch. Dafür wurde auch verhältnismäßig viel Geld aufgewendet, während die Verbände immer noch um die notwendigste Ausstattung zu kämpfen haben.

In Gesprächen mit dem neuen Verantwortlichen in der Regierung und den Vertretern der volkskulturellen Organisationen sollte es zu einem gemeinsamen Prozess der Neupositionierung der Veranstaltungen und Druckwerke kommen.

Mit bewusst gesetzten Brückenschlägen zu anderen Ressorts (Soziales, Kultur, Tourismus, Bildung) und bewusstem „Leben von Gemeinsamkeiten“ des Volkskultur- und des Kulturreferates (Aufsteirern, Volkskulturpreis, Styriarte, Kooperationen mit Nachbarregionen etc.) sollte die Optik und Trennung von „Volkskultur“ und „Kultur“ überwunden werden.

Konkrete Anregungen und Vorschläge

Das Fest Aufsteirern sollte nur alle zwei bis drei Jahre durchgeführt werden; denn es könnte dann qualitativ mehr für die Kulturarbeit im Lande bewirken, den „nur Demonstrationscharakter“ und das „Messe – Klima“ wieder verlieren und wieder eine sympathische Darstellung der Volkskultur ermöglichen. Noch mehr könnte bewirkt werden, wenn die EU-Öffnung nach Süden und Südosten ernst genommen wird und daraus ein „Fest der Regionen“ entsteht. Die Inhalte sollten vielseitig gestaltet werden, die Durchführung allenfalls Steiermark-weit erfolgen und grenzüberschreitend überlegt werden. Allenfalls könnten die Feste jeweils unter einem besonderen Schwerpunkt gestellt werden. Eine inhaltliche Beratung des Aufsteirern -Team sollte durch die Verbände sowie Marketing- und Werbefachleute professionell vorgesehen werden. Der Termin sollte – unter Berücksichtung der Arbeitsbedingungen der Verbände – überdacht werden, (z. B. allenfalls zwei Wochen vorverlegen oder im Frühjahr oder belassen?). Wichtig ist es, dass das „Aufsteirern“ (oder wie immer es heißen sollte) nicht kippt und „ausgelutscht“ wirkt.

Das Volkskultur-Jahrbuch und der Volkskulturkalender sollten neu konzipiert werden. Schade um den – auch finanziellen – Aufwand, wenn es zu keinen inhaltlichen Änderungen kommt. Eine moderne Alternative dazu wäre ein neues Bemühen um die Medien, die die Inhalte dieser Formen der Kulturarbeit entsprechend transportieren könnten. Konkret sollten neue Vereinbarungen mit dem ORF ebenso wie mit den Printmedien getroffen. Allenfalls wären Medienpakete statt des Volkskulturkalenders zu überlegen. Allerdings müssen die Aktivitäten der Organisationen so interessant sein/werden, damit die Medien von sich aus darüber berichten wollen. Volkskultur gehört stets auf die Kulturseite der Medien und nicht in den Lokalteil oder internen Kalender, wo sich die Akteure nur selber finden. Es gilt das Imageproblem der Volkskultur zu überwinden und eine Isolation dieser (Volks-) Kulturszene zu verhindern.

Der Volkskulturpreis sollte erhalten bleiben, ist aber inhaltlich zu überarbeiten und neue Richtlinien wären sinnvoll. Empfohlen wird, dass dieser Preis in Anwesenheit beider Landeskulturreferenten überreicht werden soll.

Begegnung mit den Nachbarn könnte durchaus ein neuer Schwerpunkt sein, bei dem sich zahlreiche Verbände mit unterschiedlichen Inhalten beteiligen sollten. Z.B. bräuchte die Steiermark dringend eine Konzertreihe „Wir und die Nachbarn“, wie es sie im Brucknerhaus Linz und im Konzerthaus Wien schon längst gibt.

Das Forum Volkskultur auf Landesebene soll auf jeden Fall für die Zukunft erhalten bleiben. Allerdings sollen sowohl die Zusammensetzung der teilnehmenden Organisationen als auch die inhaltlichen Aufgabenstellung neu überdacht werden. Die im „Forum Volkskultur“ zusammengefassten Organisationen (Kulturverbände, Institutionen wie z. B. Heimatwerk, Tourismus etc.) haben völlig unterschiedliche Strukturen und Aufgabenbereiche und sollten schon deshalb unterschiedlichen Förderbedingungen unterliegen, allerdings aber auch in einer gegenseitiger „Vernetzung“ agieren.

Der arbeitsmarktpolitische Aspekt der volkskulturellen Arbeit ist nicht zu unterschätzen und sollte stärker in den politischen Überlegungen des zuständigen Ressorts berücksichtigt werden.

Freiwerdende Gelder, die durch die Reduzierung von z. B Großveranstaltungen bzw. Zuteilung von Veranstaltungen zu anderen Ressorts (z.B. Aufsteirern zu Tourismus) vorhanden sein sollten, sollten z. B. Verwendung finden für eine verstärkte Grundförderung der volkskulturellen Verbände. Diese könnten dadurch auf eine solide finanzielle Basis gestellt werden, um ernsthafte und erfolgreiche Kulturarbeit leisten zu können.

Eine gemeinsame Ausbildungsleiste mit einem modulartigen Ausbildungsprogramm für „regionales Kulturmanagement“ und „Kulturarbeit in den Gemeinden“ wäre für alle in den Gemeinden und Regionen tätigen Kulturverbände zu schaffen und zu fördern. Dies wäre eine ideale ressortübergreifende Maßnahme, die z.B. gemeinsam mit dem Tourismus und Erwachsenenbildung realisiert werden sollte.

Die Jugend und Referentenausbildung wäre zu fördern; und die drei erfolgreichen Projekte: “Einfach lebendig“, „Tanz in der Schule“ und „Mit allen Sinnen“ wären gemeinsam mit dem Schulressort (LSR Steiermark, Pädagogisches Institut des Bundes in der Steiermark, BMfBWK) durchzuführen und allenfalls auf andere volkskulturelle Bereiche auszubauen.

Verbände sollten aufgefordert werden, verstärkt professionell nach Leitbildern, CI und Vereinszielen und Konzepten zu arbeiten. Die „Philosophie des Markenproduktes“ sollte auch bei der Kulturarbeit der Verbände verwirklichten werden. Professionelles Arbeiten von Verbänden und die Etablierung einer Marke sind nur mit finanzieller Unterstützung und Fachwissen möglich und beides bedarf der Unterstützung durch die Politik.

Die Erneuerung der Förderrichtlinien für Volkskultur wäre notwendig, wobei die Förderungen nicht immer an Innovation und Internationales gebunden sein sollen. Kultur will auch ganz einfach im Alltag getragen werden. Innovation ist es auch, wenn sich kulturelle Äußerungen über ein Jahrhundert verändern.

Abschließend  empfehlen wir dem neuen Regierungsverantwortlichen für Volkskultur sich eine Expertengruppe seiner Wahl zu schaffen, die ihn in seiner volkskulturellen Verantwortung berät.


Dieses Arbeitspapier wurde dem zuständigen Politiker (Ressort Volkskultur) vorgelegt; Teile der Formulierung entstanden unter Mitwirkung von D.I. Heiner Herzog; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.