Jäger- und Almliederbuch

Zuerst einmal bestellten wir uns ein Achterl und unsere Gespräche handelten von der Arbeit, von der Gemeindestube, von Nachbarschaft und von Vorgesetzen.

Die Themen wechselten so schnell wie der Wirt die leeren gegen die vollen Gläser. Aus den Äußerungen sprach Erfahrung, Übertreibung, manchmal auch Spott und Missgunst. Wie das Leben halt so spielt. Später griffen wir zu den Spielkarten, dabei wurden die kleinen Grabenkämpfe erst recht ausgetragen. Ein Kräftemessen mit Augenzwinkern, ein lustvolles Taktieren im Spannungsfeld zwischen Ernst und Spaß.

Der Auftritt auf die Bühne des Lebens

Dann öffnet sich die Tür und alles beginnt von vorne. Der Auftritt jedes Einzelnen erinnert an die Szenen ländlicher Theaterbühnen. Da fällt ein Wort und dort die rechte Antwort. Die Debatte wird lauter und hitziger. Wer Pech gehabt hat, der erntet Spott, die Erfolgreichen werden auf die Schaufel genommen. Ich täte von erstklassiger Kommunikation reden, wenn ich nicht „Unterhaltungswert“ dazu sagen würde.

Ja, und dann erst war das Feld für die Töne bestellt. Im lärmenden Wortwechsel vernahm es sich zuerst zaghaft, das Lied vom Gamserl schiaßn. Schon aber gesellte sich die Überstimme dazu und die gute Stube verwandelte sich für längere Zeit in ein klingendes Szenario. Ein neuer Wettstreit ist entbrannt, wer wohl dieses oder jenes Lied, wer noch eine Strophe kennt vom Wås steht då drobn am Ålmaspitz…. Erkenntnis daraus:

Das Singen kommt erst, wenn wir uns alles gesagt haben.

So lange müssen wir Zeit haben, bis es in uns selbst zu gurgeln anhebt. Es geht dabei nicht um die hohe Kunst, aber immer um den Weg dorthin und dieser hat für uns allemal die schönsten Augenblicke parat. Dies gilt nach wie vor, auch wenn wir in einer Welt der permanenten Musikversorgung – bis aufs Häusel hinaus – anderes vermuten würden. Wir haben längst Sehnsucht nach eigenen, selbstgemachten Klängen, nach der Bestätigung, dass wir musische Geschöpfe sind. Die Frage steht im Raum: Warum sind wir nicht etwas wählerischer mit dem, was wir unserem Ohr antun? Merke: Sogleich nach dem Ende der Stille beginnt unsere Verantwortung.

Ein Büchl für die Rocktasche

Aus dem reichen Fundus und mit der Erfahrung des Steirischen Volksliedarchivs wurde diese Auswahl getroffen. Wer allerdings seine Lieblingslieder nicht anfindet, hat die Möglichkeit eine nächste Ausgabe mit zu gestalten, ebenso aber, die fehlenden Lieder von unserem kostenlosen Liederdienst anzufordern.

Und nun ans Singen, das Büchl aus der Rocktasche zur Hand und aufgeschlagen. Schöne Erinnerungen tun sich auf, denn Lieder sind eine besondere Form von Gedächtnis, ein Rückgriff auf vergangene Zeit, auf Freud` und Leid. Es liegt an Ihnen, die Lieder in ihrer originellen einfachen Sprache zu genießen, oder den Melodien Aktualität einzuhauchen, regionale Begebenheiten zu unterlegen, Namen auszuwechseln. Welch schöne Unterhaltung, die dem Augenblick dient, indem er ihn merklich verlängert und so mithilft, der Vergänglichkeit ein Schnippchen zu schlagen.


Vorwort im gleichnamigen Liederbuch, Steirisches Volksliedwerk, 10/ 2000; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.