Zitate zum Thema Überlieferung und Feldforschung

Künstlerisch oder handwerklich?

Zum Instrumentalbereich ist anzumerken, dass Volksmusik eher aus einem handwerklichen Sinn als aus künstlerischen Ambitionen entsteht. HH

Die Fehler der Bildungsschichte

Es war zwar nachweislich die Elite, die sich immer wieder unseres Themas angenommen hat. Es war aber auch diese Elite, die unsere Liederbücher zensuriert, Tanzmusik kammermusikalisiert und Tänze zum Bühneninhalt gemacht hat. Hüten wir uns überhaupt vor dem Trugschluss, dass unser Thema in der Bildungsschicht gut aufgehoben ist. Ohne den Bezug zum instinktmäßigen Umgang verkümmern kraftvoller Lied- und Musikbesitz zur reinen Interpretation. HH

Die Veränderung nach der Forschungsaufnahme

Es ist ein frommer Wunsch der Feldforscher, möglichst wenig in das Leben ein­zugreifen und die Gewährsleute unbeeinflusst zurückzulassen. Es wird immer ein Wunsch bleiben, weil jede Zuwendung eben Spuren hinterlässt. Dies vor allem, wenn es um solche Fähigkeiten geht, die dem emotionalen Bereich angehören, wie etwa das Singen. Plötzlich wird das bisher Selbstverständliche herausgehoben, nicht mehr als Notwendigkeit empfunden, sondern als Besonderheit, als wertvoll gehandelt. Alles, was die Gewährsleute bisher gemacht haben (das Spiel mit der eigenen Musikalität, die Übernahme und Weitergabe von Melodien, eingebettet in lebendige Zusammenhänge), wird zu Kunst und verschwindet in einer kleinen Spule des Feldforschers. Ist es verwunderlich, wenn die Überlieferungsträger ganz unterschiedlich darauf reagieren? Wenn sie sich selbst, aber auch ihre Musik ver­ändern? Wenn sie es nicht nur tun, sondern auch darüber reden? Wenn zum Selbstbewusstsein auch das Sendungsbewusstsein hinzukommt? HH

Vanillekipferl und Lieder

Das Vanillekipferl-Rezept, einst auf einem Pergamentpapierrest von Großmutter handschriftlich überliefert, ist ein Erinnerungsstück, dessen Verwendung einfach den Kochbuch-Zweck erfüllt. Es ist zunächst nur eine Aufzählung von Zutaten. Was für eine Sinnes- und Eindrucksvielfalt kann diesem Vanillekipferl aber noch weit darüber hinaus anhaften? Es sind Großmutters Hände, die mit dem Teig umzugehen verstehen, es sind ihre Anweisungen und Anordnungen im duftgeschwängerten Küchenraum, der Tonfall ihrer Stimme, den wir heute noch im Ohr haben, es ist ihre Gestik, vielleicht die Handbewegung, mit der sie eine Haarsträhne aus dem Gesicht wischt. Es ist aber auch ihre Mühe, die uns als Eindruck hinter blieben ist, nämlich die Mühe um die Versorgung der Familie nebst dem sorgfältigen Einlagern der Köstlichkeiten – und zuletzt auch Großmutters Großzügigkeit beim Bewirten der Gäste, gepaart mit der sparsamen Einteilung der Reserven. Auch hier kann ein Rezept den Erlebnisgehalt nicht ersetzen. Mehr noch: Die schriftliche Notiz beinhaltet eben nur „Zutaten“. Wie bei Liedern aus Liederbüchern. HH

Schöpferische Kräfte

Was soll Tanz ohne Anlass, was soll Lied ohne Stimmung und was soll Tradition ohne das Zusammenspiel mit der freien Entfaltung? Bei aller Bedachtnahme auf Überlieferung, auf Beschriebenes, sind es die schöpferischen Kräfte, die uns zum Eigentum werden lassen, was sonst Kopie von gestern bleiben würde. HH

Das Leben nach der Entdeckung

Die Auswirkungen des Entdeckens sind vielschichtig. Auf der Suche nach dem Unberührten trampeln wir oftmals so lange im Wildwuchs, bis ein Pfad entsteht, der andere Neugierige anlockt, der aber auch den Gewährsleuten den Weg bereitet und einen neuen Horizont anbietet. Der Hinnahme der Veränderbarkeit, dem Zu­geständnis, dass das Leben danach eine neue Herausforderung bietet, stehen aber nach wie vor die Faszination und der Wunsch gegenüber, dem Original zu begeg­nen, etwas von jener Kraft zu erheischen, die allem innewohnt, was Generationen übergreifend geformt und mit Bildern von Menschen angereichert ist, die ihre Lieder und Weisen mehr mit dem Lieben und Leben verbunden und sie vor allem gefühlt haben. HH

Vom Wildwuchs und der Vielfalt

Wir beobachten heute eine zunehmende Vereinheitlichung musikalischer Aussagen, fehlende Einbindung von Musik ins Leben selbst und damit Aufstieg einer dereinst so großartigen wildwüchsigen Poesie- und Klangbedeutung in die Konzertebene. Im Felde entdecken wir aber Variantenbildung, Musik im Gebrauch, Singmanieren die vom musiktheoretischen Muster abweichen, eine Vielfalt von Klangspielen, das Aufleben von alten aber auch neuen Singbräuchen und das alles durch instinktmäßiges Tun – aus der Notwendigkeit heraus oder – wie lehrreich – wider besseren Wissens über Musik. HH

Werkzeug anstatt Werk

Volksmusik ist keine Erfindung, sondern musikalisch-poetische Erinnerung, sie wird daher (im ursprünglichen Sinn von Volksmusik) nicht nach vorwärts erzeugt. Der Ruf nach Erneuerung der Volksmusik ist daher kontraproduktiv, solange sie – die Volksmusik – die Eigenheit der Beständigkeit aufweist und mit diesen Bewährungen gespielt wird, freilich so viel nur, dass die Reglements nicht aufgelöst werden und Volksmusik überlieferbar bleibt. Das wäre überhaupt ein wichtiges Kriterium. Und das ist der Lebensfaden und auch das Geheimnis von Volksmusik: Diesem Lebensfaden kommt mehr Bedeutung zu, als die Interpretation selbst. Es ist nämlich der Tod jeder Volksmusik, wenn sie dem Intuitiven entzogen wird, wenn sie zum Werk wird, anstatt zum Werkzeug. HH

Besitz ergreifend…

Überlieferung ist das musikalische Tagebuch eines Menschen. Es wird mit der Handschrift jedes einzelnen geschrieben und ist vom Vermögen jedes einzelnen, sich musikalische und poetische Werke anzueignen, beeinflusst. Der Eindruck des Augenblicks ist federführend. Hier zählt nicht der Wert der Musik und der gewählten Worte, sondern alleine, wie sehr Musik und Sprache durch den erlebten Augenblick für unbestimmte Zeit zum Besitz werden. HH

Was macht Überlieferung so wertvoll?

Die Besonderheit liegt im Aufwärmen alter Erinnerungen, in der Ernsthaftigkeit bei der Übernahme des Originals und in der Akzeptanz der Fehlerquellen bei der Weitergabe. HH

Klingende Bilder

Lieder sind nichts anderes als klingende Bilder einer bereits erlebten Zeitspanne, sie leben von der Wiederholung und wir in ihnen. HH

Ist das Notenblatt eine Vorschrift?

Zu aller erst müsste also eine Schrift, die keine Vorschrift ist, Verwirrung stiften, wenn wir nicht auch vom Kochbuch wüssten, dass wir uns beim Kochen viel mehr ins Zeug legen, als Zutaten im Buch stehen. Richtig: Ausschlaggebend ist dabei, für welchen Anlass, für welche Gäste und für welchen großen Hunger wir zum Kochlöffel greifen. In der Musik ist dies nicht anders! HH

„Kultur tragen“

ist demnach aber auch weniger spektakulär als sie nur zu präsentieren. Dann und wann aber brauchen wir Aufwärmtage um Brauchbares vom Verbrauchten unterscheiden zu lernen, um an den kleinen Künsten wieder einmal die Größe zu erkennen. HH

Singen kommt erst, wenn wir uns alles gesagt haben

So lange müssen wir Zeit haben, bis es in uns selbst zu gurgeln anhebt. Es geht dabei nicht um die hohe Kunst, aber immer um den Weg dorthin und dieser hat für uns allemal die schönsten Augenblicke parat. HH

Die Annäherung an die Musik

Zudem ist mehr Sinnlichkeit gefordert und Musik auch als beglückendes Nebenprodukt des Lebens anzuerkennen. In einer Zeit, in der uns Musik immer als fertiges Produkt begegnet, gewinnt das Erlebnis der Annäherung besondere Bedeutung. Das Unfertige vermittelt uns das Gefühl, dass wir selbst dabei sind und wachsen – als Trittbrettfahrer. HH

Konserve bleibt Konserve

Dies ist ein Plädoyer für die Qualität der Überlieferung und Unmittelbarkeit und kommt hier nicht von ungefähr ins Spiel. Die besondere Qualität der musikalischen Volkskunst liegt im Gebrauchswert, in der starken Verbindung zwischen musischem Tun und praktisch-kultischem Handeln. Das ist der bewährte Weg, Jung und Alt in Verbindung zu bringen. In unserem Falle: Musik wird zum Klebstoff zwischen den Generationen. Konserve bleibt dagegen Konserve. HH

Ich habe was dagegen

wenn das Spannungsfeld zwischen dem Alten und dem Neuen flöten geht und habe deshalb nicht die Absicht, mit jenen ins Horn zu blasen, die durch ihren Mangel an Tuchfühlung das Runderneuerte zum Zeitgemäßen machen. HH

Im Musikland Österreich

haben wir zuerst eine Hemmschwelle aus dem Weg zu räumen, weil hier – durch die Überbewertung von Musik als österreichisches Produkt – der musikalische Versuch keinen Stellenwert hat. HH

Ein Quell der Demut

Ein einfaches Mittel um der Verschulung vorzubeugen, wäre die Feldforschung. Sie ist eine Quelle der Demut und verändert die Wahrnehmung von Musik. HH

Warum das Jodeln so wichtig ist

Mag sein, dass es um die Weitergabe von Melodien geht und das Verklingen mancher Melodien einen Verlust bedeuten würde. Vielmehr muss es uns aber um die positive Wirkung der Klangerzeugung in uns gehen, um das freie Zusammenspiel der Kräfte, um die Kreativität, die neue Varianten ermöglicht und sie wieder der Überlieferung zuspielt. Hier trifft sich die Nachahmung mit dem Schöpferischen. HH

Grundbücherliche Eintragung?

Musik ist leider bestens geeignet, nach Reinheit und Perfektion gemessen zu werden oder gar nach den Schlagzeilen, die sie gerade macht. Dazu gehört der Ziehharmonika-spielende Rockmusiker ebenso wie jener Club, der durch ein Konzert mit tausend Saugeigenspielern ins Buch der Rekorde kommen möchte. Zu aller erst ist Liedbesitz aber Teil einer Lebensgeschichte und Verlebendigung vieler Begegnungen. Und die Weitergabe und Überlieferung der Lieder ist auch ein Akt des sich Fortpflanzens, ein Entladen der gespeicherten Eindrücke als Folge des Besitzergreifens von einem geistigen Kapital, das uns bereits ohne grundbücherliche Eintragung gehört. „Lieder haben lernen“ ist daher der Versuch, dem Instinktmäßigen mehr Wertschätzung beizumessen, der Musik den großen Mantel Erlebnis umzuhängen und damit die Chance wahrzunehmen, verschüttetes musikalisches Tun auszugraben oder es gar nicht verschüttgehen zu lassen. HH

Ein Hoch unserem Erinnerungsvermögen

Vielleicht ist es aber gerade die Unendlichkeit des Zeitgefüges, die uns nach sicheren Haltepunkten Ausschau halten lässt. Die kleine Zeiteinheit ist daher ein willkommener Anker und die Wiederkehr des Jahrestages gleichsam Balsam auf unsere Verlorenheit. Das Jubiläum – dessen Rituale und Symbolik – ist also ein kulturgeschichtliches Phänomen. Die Zeit würde ja einfach und unaufhaltsam voran schreiten, wenn wir nicht eine solch große Freude an der Wiederkehr der Ereignisse von einst hätten. Ein Hoch unserem Erinnerungsvermögen, denn es verführt uns allzu gerne zum Jubilieren. HH

Der Speicherplatz in uns

Volksliedarchive sind nur Sammlungen von Sammlungen, denn der eigentliche Speicherplatz befindet sich im Menschen selbst. Ja, diese stets abrufbereite Sammlung befindet sich nicht in der Vorzimmervitrine, auch nicht in der Kommodenlade der guten Stube und nicht im Museumsquartier. Nein – sie befindet sich in uns. HH

Wer muss eigentlich gerettet werden?

Kurz und gut: Der Jodler selbst braucht keine App und der Jodler muss auch nicht gerettet werden. Gerettet werden muss der Mensch, der eine solche vokale Besonderheit vielleicht unbeachtet links liegen lassen würde, der vielleicht nie anfangen würde zu singen und zu klingen. Welche Vergeudung dessen, was wir alle mitgegeben bekommen haben: Nämlich, die Fähigkeit zu singen. HH

Das ist die Wahrheit

Nach der Einstellung jeder Volksmusikpflege würde keine Arbeitslosigkeit ausbrechen und die Volksmusik auch nicht am Ende sein. HH

Das Handwerkliche und das Künstlerische

Gute Tanzmusik entsteht aus einer handwerklichen und nicht aus einer künstlerischen Einstellung. HH

Eine wahre Erkenntnis

Gute Volksmusik auf einem Tonträger gleicht einem Foto
vom kalten Buffet. HH

Das wünschen wir uns doch alle

Lieder von Vorgestern zu lernen und sie nach Übermorgen -weiterzugeben, wirkt wie eine -Lebensverlängerung. HH

Weil das Leben der einzig gültige Wettbewerb ist

Jeder Volksmusikwettbewerb spielt am Leben vorbei. HH

Bitte keine Graslhüter

Schutzräume und Kühlschränke erscheinen mir wenig geeignet, das ‘Lebensmittel Volksmusik’ vor dem drohenden Ablaufdatum zu bewahren. HH

So ist es

Gesungen wird erst, wenn wir uns alles gesagt haben. HH

Ein Glücksfall: Der Felber Franz

Letztlich ist Franz Zöhrer, obwohl er keine solche Ausbildung genießen konnte, der geborene Pädagoge. Er ist in seiner liebenswerten Art nicht nur musikalisches Vorbild. Seine Lebenshaltung können viele ohne Bedenken einfach übernehmen, so wie sie auch seine Melodien und Liedtexte aufnehmen. Nie und nimmer ist er aber ein Extremist in Sachen Volkslied, seine Anschauung hebt sich nicht ab in reine Begeisterung und in ein Gefasel von Echtheit. Seine Zuwendung ist aber echt und er gibt ein Beispiel dafür, dass hohes musikalisches Niveau nicht immer das Ende eines künstlerischen Prozesses ist, sondern auch durch das Leben mit Musik erreicht werden kann. HH

Das ist eine echte Wortkargerei

Der heute leider ganz leicht zu diagnostizierende Mangel an Sprachwitz ist mehr als bedauerlich. Nicht nur, dass sich unser Sprachschatz, wenn wir ihn gebunden herausgeben würden, neben dem Duden als kleines mageres Heften ausnehmen würde. Nein, wir machen den Mangel auch nicht wett, indem wir neue Wörter erfinden, obwohl uns dies durchaus zustehen würde. Das ist echte Wortkargerei! Unsere Lippen sind also unterbeschäftigt oder mit Sprachmüll belegt. Immer mehr aber bleiben seltene Gedankenblitz auf dieser Welt unabgeleitet und unausgesprochen. Inzwischen bedienen wir uns auch beim Gstanzlsingen der abgelutschten Standards und wiederholen sie permanent. Ohne der Wiederholung ein wichtiges Lebensrecht abzusprechen müssen wir uns Quartalsweise ein Armutszeugnis ausstellen. HH

Muss man es im Blut haben?

Halt! Bitte nicht das Bad mit dem Kinde erschlagen, da gibt es noch einige „Naturtalente“, aber gerade dieser Ausdruck verführt uns zur einfachsten aller Ausreden, nämlich zur Begabung. Dieses „im Blut haben müssen“ lässt alle anderen sich zurücklehnen. In Wahrheit aber ist die Paarung des jedermann gegebenen Geistes mit der ebenso allen angeborenen Faulheit die eigentliche Katastrophe. HH

Mutterwitz und Schlagfertigkeit

Weg also mit solchen Vorurteilen und den Exklusivrechten für Geistesblitze. Jede Fertigkeit lässt sich auch trainieren und daher ist es längst an der Zeit, damit zu beginnen. Und das spielend, denn Mutterwitz und Schlagfertigkeiten brauchen neben Geist und tiefen Sinn auch eine gehörige Portion vom Nonsens. Ohne Absurditäten wären wir nur gebildete menschliche Antiquitäten, die immer wieder einmal auf Hochglanz poliert aber nie als Unikate ankommen würden.


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