Der Jodelkurs

Wo gejodelt wird fallen keine Späne und wo gehobelt wird fallen keine Töne…

Bislang war diese Seite den handwerklichen Tätigkeiten rund um die Musikinstrumente gewidmet und dennoch hat der Gedanke, die Jodelkurse mit dem Begriff Werkstätte zu verbinden, seinen Reiz. Dabei sind hier die Form und der Ablauf eines Kurses gemeint und eben nicht das Lernen im Überlieferungsprozess. Diesem Vorgang des Lernens von den Großeltern, den Eltern oder Nachbarn haben wir ja schon viele Beiträge gewidmet. Nun geht es aber um das Erlernen des Jodelns in Kursen, wie wir sie in der Steiermark seit zwei Jahrzehnten anbieten.

Warum also ausgerechnet Jodelkurse?

Zuallererst, um dem da und dort unterbrochenen Überlieferungsprozess nachzuhelfen. Um diesem emotionalen Tun den optimalen Rahmen zu geben, suchen wir jeweils ein gemütliches Gasthaus oder einen Berggasthof aus. Wenn uns aus der Feldforschung einheimische Sängerinnen und Sänger bekannt sind, so ist dies ein weiterer Grund, gerade diese Örtlichkeit zu wählen, denn nichts ist lehrreicher als das lebendige Beispiel des Jodelns, wie es am Lande noch erlebbar ist.

Das Jodeln als Einstieg in das Singen – übrigens auch für Jugendliche – hat gegenüber dem Volksliedersingen einen enormen Vorteil: Die dabei gebräuchlichen Vokale haben zwar eine Eigengesetzlichkeit, die in der Abfolge der Vokale zwischen Höhen und Tiefen liegt, sie unterliegen aber – wie denn auch? – keiner Textkritik. Allzu viele Volksliedtexte sind ja an örtliche Lebensumstände, an die Stimmung des Augenblicks und an ein tieferes Verständnis für die Poesie von Gestern gebunden. Das Jodeln hingegen ist ein äußerst befreiendes, von Textinhalten völlig unbelastetes Spiel mit den Tönen.

Jodeln fördert zudem das Selbstbewusstsein. Emotionale Stimmerhebung ist ein der Seelenhygiene dienender Vorgang. Ja, es gibt heute einen steigenden Bedarf, sich selbst in Position zu bringen und sei es in der prägnanten Form des kraftvollen Ausbruchs von Tönen aus unserem Innersten. Zudem: Jodeln ist schon zu Zweien zu verwirklichen und fördert damit das spontane und allerorts mögliche Musikmachen. Jeder kann aber auch seinen kreativen Teil zum Jodeln beitragen, sei es durch einen besonders ausgeprägten Personalstil oder durch das System der Variantenbildung. Auch wenn dem Jodeln eine Aura des Originalen und Echten anhaftet: In der Interpretation ist der Vielfalt keine Grenze gesetzt. Aus all diesen Gründen spricht das Jodeln eine Zielgruppe an, die weit über die Volksmusik-Interessenten hinausgeht. Jodeln – das ist ein Stück Natur, spürbare Archaik, die klingende Form zwischenmenschlicher Beziehung

Die Absicht und die Zielgruppe

Wir möchten die Teilnehmer auf die eigene Stimme aufmerksam machen, sie vom „eigene-Töne-machen“ begeistern. Wir möchten sie daher befähigen, zuallererst einen bis zwei Jodler selber anzusingen – sie sollen beim Kurs vor allem auf den Geschmack kommen. Das Jodeln soll sie nicht mehr loslassen. Wir möchten Menschen erreichen, die bis jetzt gar nicht oder wenig gesungen haben, ebenso aber auch solche, die bereits singen und das Jodeln erstmals probieren.

Kursdauer und Methodik

In der Regel veranstalten wir diese Einsteigerkurse eintägig mit offenem Ende als Abendgestaltung mit einheimischen Sängerinnen und Sängern. Der Kurstag beginnt mit einer Einführung, der Vorstellung der Wirtsleute und organisatorischen Belangen, denn einen Teil der Stimmung tragen die kulinarischen Genüsse und die Sympathie der Wirtsleute bei. Weitere Themen sind zwischen den praktischen Teilen angesiedelt: Die Geschichte des Jodlers, die berühmtesten Aufzeichner und Sammlungen, die Technik des Jodelns, Stimmaufteilung und die verschiedenen Jodlertypen wie Zweier, Drei, Gegeneinand etc.

Einige Jodler werden dann gemeinsam mit allen (etwa 40-60) Teilnehmern erlernt, aber schon bald wird in kleinen Gruppen im Freien geprobt. Dabei stehen mehrere Referenten zur Verfügung. Meist ist auch ein Stimmbildner darunter, der für die sehr unterschiedlichen Stimmprobleme Hilfestellungen anbietet. Besonderes Augenmerk wird auf das Ansingen gelegt, weil die richtige Tonhöhe ausschlaggebend für das Gelingen ist und die Angst vor dem ersten Ton genommen werden soll. Auf die Artikulation der Jodlersilben wird besonderer Wert gelegt, denn ohne Vehemenz verändert sich das eigentliche Jodeln zum Singen. Der Kurs findet ohne Notenvorlage statt – die Unterlagen werden anschließend zugesandt, das Teilnahmezertifikat sogleich feierlich überreicht. Das hat zwar einen Nachteil, weil an einem Tag nur wenige Jodler erlernt werden können. Der Vorteil liegt aber darin, dass die wenigen Melodien ohne Texthilfe im Gedächtnis bleiben – im besten Falle unauslöschlich.

Erfahrungen

Das Ergebnis ist schwer abzuschätzen. Es gibt viele Komplimente: „Mir hat der Tag gut getan, ich habe nicht gewusst, welch kräftige Stimme ich habe“ Es geht offensichtlich auch um eine positive Wirkung auf die allgemeine Befindlichkeit, weil so ein Tag auch ein schönes Gemeinschafts- und Bergerlebnis, ebenso aber auch für viele ein sinnliches Erlebnis ist. Dann und wann bekommen wir die Rückmeldung, dass sich eine Runde von Leuten wieder gefunden hat, um zu jodeln und zu singen. Die fröhliche Arbeitsweise und Offenheit in der Teilnehmerauswahl (wir suchen ja nicht aus, sondern muten den Kurs allen zu) bringt uns den besonderen Ruf einer Kulturinitiative, die in die Breite geht.

Für die Zukunft

Zusätzlich zu den Jodelkursen bieten wir mit unserem Schulprojekt „einfach lebendig“ das Jodeln wieder in Volksschulen ab. Die in der Steiermark entwickelte Jodel-Lern-CD ist eine ganz neue Form der Vermittlungshilfe und wird zur weiteren Verbreitung des Jodelns beitragen. Unsere Absicht ist es nicht so sehr, ein altes Kulturgut zu erhalten. Vielmehr ist es uns Ernst mit dem Vorhaben, das beim Jodeln spürbare Kraftfeld im Zusammenspiel zwischen Musik und Mensch vielen erlebbar zu machen.

Und die gängige Meinung: Das Jodeln müsste man einfach im Blut haben, wird so lange ein Märchen bleiben, solange wir an Jodelprinzessinnen glauben…


Der Vierzeiler, Aus der Werkstatt, 1111; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.